Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 24, S. 913
Text
Frau Klein. Wenn man ihr sagen würde, dass das Glück ihres
Sohnes auf dem Spiele stehe —
Stransky. Nein, nein, daran ist nicht zu denken.
Frau Klein (erschöpft in Thränen ausbrechend). Ich kann doch
nicht mein Geld hergeben. Wovon soll ich leben?
Pause.
10. Scene.Die Vorigen. Isidor.
Isidor (den Kopf zur Thür hereinsteckend, fröhlich). Na, habt Ihr
Euch schon ausgeplauscht? Ich bin todhungrig. (Niemand antwortet. Er
sieht die beiden verstörten Gesichter und tritt ganz herein, die Thüre hinter
sich schliessend.) Ja, was ist denn geschehen? (Niemand antwortet.) So
sprich doch, Tante. Was ist?
Frau Klein. Es hat sich ein Irrthum herausgestellt.
Isidor. Was für ein Irrthum?
Frau Klein (bitter). Der Herr Stransky liebt Grete und hat sich
mit Rosa verlobt.
Isidor (begreifend). O!
Frau Klein. Und wir sehen keinen Ausweg.
Isidor (sich hinter dem Ohre krauend). Das ist unangenehm, sehr
unangenehm.
Stransky. Herr Klein, Sie müssen die Sache mit meinen Augen
betrachten. Ich bin nicht frei und unabhängig wie Sie.
Isidor (verächtlich). Sie brauchen mir nicht so viel zu erklären.
Frau Klein (neuerlich in Thränen ausbrechend). Ich bin die unglück-
lichste Frau von der Welt.
Isidor (nach einigem Nachdenken). Du, Tante!
Frau Klein. Was denn?
Isidor. Man könnte die Sache vielleicht doch noch reparieren.
Frau Klein. Ja, wie? Mit dem Geld lässt sich nichts machen!
Wenigstens so lang ich lebe! Dann allerdings —
Isidor (in Gedanken versunken). Ja, ja Aber vielleicht lässt
sich noch das richtige Arrangement treffen!
Stransky (ungläubig). Herr Klein!
Frau Klein (rasch zu Isidor). Isidor! Wirklich?
Isidor (jovial). Ich! Ich werde die Rosa nehmen. Ich bin doch
aus der Familie.
Frau Klein (Isidor umarmend). Du bist ein braver Junge, Isidor!
Das wird Dir einmal noch belohnt werden, ich schwöre Dir! — —
Isidor. Bitte, sprich nicht von solchen Sachen.
Stransky (unsicher). Ja, aber die jungen Damen!
Frau Klein. Ich werde gleich mit ihnen reden. (Auf die Thüre
links weisend). Bitte gehen Sie mit Isidor für einen Moment in das Cabinet.
(Isidor und Stransky links ab.)
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 2, Bd. 3/4, Nr. 24, S. 913, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-02-02-24_n0913.html)