Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 2, S. 26

Die Schlüssel des Himmelreichs. (Zweiter Act) (Strindberg, August)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 2, S. 26

Text

STRINDBERG: DIE SCHLÜSSEL DES HIMMELREICHS.

Der Schmied.

Und Ihr?

Der Arzt.

Ich trinke nicht!

Der Schmied.

Wohl aus Princip?

Der Arzt.

Beileibe nicht! — Ich trank so viel in
meiner Jugend,
Dass nichts mehr mich berauschen kann!

Der Schmied.

Na, dann trink ich!

Der Arzt.

Ich aber geh’,
Denn wer nicht mittrinkt, wird leicht
lästig.
Sorg’ nun für Dich, dort kommen Leut’!
Gesellschaft hast Du nun beim Kruge,
Zum mindestens, so lang er voll;
Doch wenn Du in die Klemme kommst,
Und nach dem Doctor Dich’s verlangt,
So rufe nur; ich steh’ Dir bei! —

(Entfernt sich durch das grosse Thor.)

Zweite Scene.

Der Schmied (allein). (Dann) Die Liebhaberin.

Der Schmied.

Philosophie, bah! Horizont und Archimedes,
Was kümmert’s mich, mag sich die Erde
drehen,
Mag sie auf Vieren kriechen!

Liebhaberin.

O hilf! O helft mir, edler Herr!

Der Schmied.

Was stiess Euch zu, mein schönes
Fräulein?

Liebhaberin.

Ich bin ein hilflos elend Weib,
Geplündert wurd’ ich eben auf der Strasse.

Der Schmied.

Von wem? — Wer war es? Sprecht ein
Wort
Und stracks den Arm zu Eurem Schutze,
Wie’s Ehrenmännern ansteht, will ich
heben.
Ward Eure Tugend, Eure Sittsamkeit
verunehrt,
Lass ich die ganze Räuberbande hängen!
Doch sprecht nur, sagt: Wer seid Ihr?
Und wo geschah’s? Wer ist der freche
Thäter?

Liebhaberin.

Seid Ihr der Edelmann, der Ihr mir scheinet,
So fragt mich nicht um meinen Namen.

Der Schmied.

Ich fragte nicht, ich stelle blos in Frage

Liebhaberin.

In Frage stellet, was Ihr wollt,
Nur glaubt an meine Ehrlichkeit
Und Tugend, an die Schmach, die ich
erlitten

Der Schmied.

Ich glaub’ daran, wie nur an Eure Schönheit,
Die ich mit meinen offnen Augen sah,
Wie nie zuvor dergleichen ich erschaut! —

Liebhaberin.

Ich wusst’ es ja: Ihr seid ein edler Mann
Nun denn! mein Vater wollte mich zur
Ehe zwingen!

Der Schmied.

Ha! Nun versteh’ ich alles! — Ihr,
Ihr liebtet einen andern!

Liebhaberin.

Nein! — das soll mein Geheimnis sein.
Ich bitt’ Euch: fragt nicht mehr! Erlaubet
nur,
Dass ich mich Eure Schwester nenne
Und unter diesem Namen suche Schutz
und Schirm.

Der Schmied.

Als Schwester? Herzlich gerne, edles
Fräulein,
Wenn Eure Schönheit, Eure edle Art
Nicht allzutief mich stellt in Schatten
Und unwahrscheinlich die Komödie macht.

Liebhaberin.

Sprecht nicht von Schönheit, von der
meinen gar,
Das Schöne ist nur Schein!

Der Schmied.

Ein strahlend heller Schein, der wärmt
und leuchtet.

Liebhaberin.

Ein Irrwisch nur auf Wiesensumpf.

Der Schmied.

Das ist nicht wahr, kann nimmermehr so
sein!
Allein der Güte Wiederschein ist Schönheit,
Wenn sie mit solchen Augen redet —
Kein böses Wort von Euren Lippen
Kann ich mir denken! Diese klare Stirne,

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 2, S. 26, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-01-02_n0026.html)