Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 2, S. 27

Die Schlüssel des Himmelreichs. (Zweiter Act) (Strindberg, August)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 2, S. 27

Text

STRINDBERG: DIE SCHLÜSSEL DES HIMMELREICHS.

Die furchen Zornesfalten nimmer,
Und diese kleine Hand erhebt sich wohl
Zum Handschlag nur und zur Versöhnung —
O sprecht, wollt Ihr mir folgen, doch als
Schwester nicht!

Liebhaberin.

Wie mancher freite mich und hat sich’s
überlegt!
Du kennst mich nicht, Du weisst es nicht,
Wie elend und bedrückt ich bin!

Der Schmied.

Noch besser! — Gleich und gleich gesellt
sich gern!

Liebhaberin.

Wie krank

Der Schmied.

So will ich warten Dein!

Liebhaberin.

Wie zornig!

Der Schmied.

Nur Kraft verräth es! Eine Tugend mehr!

Liebhaberin.

Wenn ich Dich schlag’ und schelte!

Der Schmied.

Vertreibt’s mir nur die üble Laune!

Liebhaberin.

Das deutet wirklich schon auf echte Liebe!
Sag’, kannst Du, Mann, ein Weib denn
lieben?
Was immer auch geschah’? — Nein, rühre
mich nicht an!
Sag’, wirst Du, wenn verschwunden meine
Schönheit
Durch Alter, Krankheit, Gram
Mich lieben wie zuvor?

Der Schmied.

Seit ich ins Auge Dir geschaut,
Kann ich Dich nimmer, nimmermehr ver-
gessen!
Und auf des Alters Schreckbild würde sich
Erinnerung mir wie eine Maske legen,
Und ob die Pest auch ihre schwarzen
Zeichen liesse,
Ob Feuer Deine weissen Wangen sengte
Und Deine Augen aus den Höhlen träten,
Ich säh’ es nicht!
Dein schönes Bild in meinem Herzen blieb,
Das seh’ ich überall, das hab’ ich lieb.

Liebhaberin.

Sieh, aussätzig bin ich, nun besteh’ die
Probe!

(Sie lüftet ihre Maske und lässt ihr vom Aus-
satz verwüstetes Antlitz sehen.)

Der Schmied
(anfangs etwas verzagt, fasst sich allmählich).

Ich trau’re, wie im schneeigen Winter
Man trauert um des Sommers Blumen;
Gram ist der Liebe Schnee,
Und unter’m Schnee, da treiben Rosen!
Wie früher, lieb’ ich Dich,
Nein, wärmer noch!
Ich lieb’ in Dir Erinnerung
An das, was ich geliebt! Mein Lieb,
Zum Unterpfand der Liebe küsse mich.

Liebhaberin.

Rühr’ mich nicht an! Ich trag’ den Tod
Auf meinen Lippen!

Der Schmied.

So lasst uns beide sterben
Und nichts mehr kann uns fürder trennen!
Nicht Zank, nicht Zwist, des Lebens
Kümmernisse,
Nicht Neid, Verleumdung nicht, wir sterben
seelig
Der Jugend wunderschönen Tod!

Liebhaberin.

O Gott, nie hätt’ ich solche Lieb erträumt!

Der Schmied.

Sieh, darum sollst Du nicht an Träume
glauben?

Dritte Scene.

Die Vorigen. St. Peter.

(St. Peter, der während dieser ganzen Scene
sich ab und zu im Hintergrunde gezeigt und
dem Gespräche gelauscht hat, tritt hervor.)

St. Peter, Jetzt aber glaub’ ich, dass
wir das Himmelreich gefunden haben.
Solche Liebe ist sicherlich nur bei Engeln
daheim.

Der Schmied. Sieh da, alter Petrus,
bist Du’s? Sag’, willst Du uns zum Altar
führen?

St. Peter. O ja, sehr gern, wenn
ich nur dürfte!

Der Schmied. Was sollte denn im
Wege stehen?

St. Peter. Ich weiss, siehst Du, nicht,
ob ich ordiniert bin, und übrigens, glaube
ich, dass man abgesetzt werden kann,
wenn man eine — Aussätzige traut.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 2, S. 27, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-01-02_n0027.html)