Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 2, S. 28

Die Schlüssel des Himmelreichs. (Zweiter Act) (Strindberg, August)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 2, S. 28

Text

STRINDBERG: DIE SCHLÜSSEL DES HIMMELREICHS.

Der Schmied. Du bist feig, Petrus!

St. Peter. Wenn man das so nennen
will, sich an die Gesetze und Verordnungen
zu halten.

Vierte Scene.

Die Vorigen. Don Quixote (zu Pferde kommt
durch das grosse Thor hereingeritten. Er ist
mit der traditionellen Rüstung bekleidet, doch
stark beleibt).

Liebhaberin. Komm fort von hier,
Geliebter, ehe mehr Leute kommen! —
Ach, da ist ja dieser abscheuliche Don
Quixote. (Sie zieht den Schleier vors Gesicht.)

Don Quixote. Guten Tag, liebe
Leutchen!

Der Schmied. Wen sucht Ihr, mit
Verlaub?

Don Quixote. Ich bin der Ritter Don
Quixote de la Mancha, und von Romeo
und Julia zu ihrer silbernen Hochzeit, hier
im Gasthause »Zum goldenen Ross« ein-
geladen. Bin ich etwa fehl gegangen?

Der Schmied. Das Gasthaus ist aller-
dings das erste, ob aber Romeo und Julia
hier ihre silberne Hochzeit feiern sollen,
darüber kann ich keine Auskunft geben,
um so weniger, als ich in den Geschichts-
büchern nirgend eine Andeutung gefunden,
dass die beiden jungen Leutchen sich be-
kamen.

Don Quixote (sitzt ab). In den Ge-
schichtsbüchern! Sprecht mir nur von
diesen nicht! Was haben sie nicht alles
über mich zusammengelogen! — Komm
her, Sancho Panza!

Fünfte Scene.

Die Vorigen. Sancho Panza (mager wie ein
Jockey, fasst Don Quixotes Pferd am Zügel,
um es in den Stall zu führen).

Sancho. Zu Befehl, gestrenger Ritter!

Don Quixote. Führ mein Vollblut
in den Stall und gib ihm Hafer!

Der Schmied. Mir scheint, so mager
Sancho Panza geworden, so fett ist jetzt
Rosinante.

Don Quixote. Die Zeiten ändern sich
und wir mit ihnen. Selbst ich habe vom
Leben gelernt, meine Vernunft zu Rathe
gezogen und mich zum klugen Mann ent-
wickelt! O, ich bin jetzt verteufelt klug.

Der Schmied. Sollten, Herr Ritter,
sich sozusagen auch einer bestimmten Lauf-
bahn zugewendet haben und in die engen

Verhältnisse des bürgerlichen Lebens einge-
treten sein?

Don Quixote. Ich züchte Traber und
besuche Pferdemärkte. — Darf ich Sie mit
einer Adresse versehen?

(Reicht St. Peter einen Prospect, der ihm da-
gegen ein Tractätchen einhändigt.)

St. Peter. Vielen Dank, Ritter, aber
meine Pferde brauchen nie gewechselt zu
werden.

Don Quixote. Was sind das für
Pferde?

St. Peter. Apostelpferde!

Don Quixote. Haha, alter Spassvogel!
Lässt sich mit diesen Rappen gut auf und
davon reiten?

St. Peter (verletzt). Jedenfalls vor Wind-
mühlflügeln.

Don Quixote. Pfui, schämt Euch!

Sechste Scene.

Die Vorigen. (Der Hochzeitszug aus dem
Brunnen hervor. Zuerst Musikanten. Hierauf)
Montecchi (und) Capulet (Arm in Arm. Sodann
die Brautführer und Brautführerinnen, nämlich)
Hamlet (und) Ophelia; Othello (und) Desde-
mona;
Ritter Blaubart (und seine Gattin)
Lady Macbeth; (endlich) Romeo (und) Julia
(ziemlich hoch bei Jahren, mit fünf, theils er-
wachsenen, theils halb erwachsenen Kindern).
Volk. Der Wirt (auf der Vortreppe postiert,
empfängt den Hochzeitszug).

Don Quixote. Dazu erkoren bei dieser
silbernen Hochzeit die Honneurs zu machen,
heisse ich die Gäste im Namen des Braut-
paares willkommen. Ihr, alter Montecchi,
und Ihr Capulet, es freut mich, Euch nach
so vieljähriger Feindschaft, deren einstige
Solidität sich nur mit der Festigkeit Eurer
jetzigen Freundschaft vergleichen lässt, Arm
in Arm zu sehen; wenngleich nicht ver-
schwiegen werden kann, dass die Freund-
schaft der beiden alten Seidenfirmen Mon-
tecchi und Capulet in Verona, sich eigentlich
von dem Mailänder dreiprocentigen An-
lehen herdatiert.

Es ist mir ferner eine theure Pflicht,
die Anwesenheit des Brautpaares, des Herrn
Romeo, Chef des Hauses Romeo Söhne
und seiner vielgeliebten Gattin Julia zu
constatieren. Ich möchte dieses Wiedersehen
gewiss zu keinem schmerzlichen gestalten,
noch einen Misston in ein so angenehmes
Familienfest bringen, kann aber gleichwohl,
wenn ich die beiden taubstummen Kinder

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 2, S. 28, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-01-02_n0028.html)