Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 3, S. 62

Die Alkestis des Euripides (Hofmannsthal, Hugo v.)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 3, S. 62

Text

HOFMANNSTHAL: DIE ALKESTIS DES EURIPIDES.

Herakles.

Heil sei Dir, König —

Admet (bitter).

Wohl, das wünscht’ ich sehr.

(Er versinkt in Gedanken, es entsteht eine peinliche Pause.)

Admet (matt).

Vergib. Mein ganzes Haus ist Dir zu Dienst
Mit Trunk und Schatten, Lager, Herd und Knecht:
Mich selber nur entlass’, mir ist die Seele
Wie mohnbetäubt von traurigen Gedanken:
In meinem Haus steht eine Todtenbahre.

(Diener öffnen die Thür der Halle rechts vorne und führen den Herakles hinein. Der König,
im Begriffe ins Haus zu gehen, wendet sich nach den untereinander murmelnden Edlen
zurück und sagt stark.)

Admet.

Wer mich hier nicht versteht, wer fragen will,
Wie dieses Thun zu solcher Trauer stimmt,
Wenn alles dies unziemlich scheint und hart,
Der schweige und bedenk’: Der König that’s.

(Eine Stufe heruntersteigend.)

Ihr schautet doch zu meinen Vätern auf
Und dachtet: »Wenn uns der durch’s Feuer führt
Ist’s gut, trägt er doch Helm und Schild von Göttern
Und tödtet er, so kommt’s, als wie ein Blitz
Nur mittelbar, aus eines Gottes Faust.«
Ich aber hab’ viel grösseres Geschenk
Und Gabe, die mich über Menschen hebt
Als Schwerter, die vom Himmel fielen, Rosse,
Die reden, Flammen um die Stirn und Stimmen
Aus Bäumen tönend: Mir ist auferlegt
So königlich zu sein, dass ich darüber
Vergessen könne all mein eig’nes Leid!
Der schöne Leib der jungen Königin
Ward in die Erde eingesenkt als Same
Für Wunderbäume, die auf Lebensfluren
Die Schatten breiten sollen, wie die Schwärme
Der wilden Tauben rauschend; alle Flüsse
In meinem Lande sollen kühner rollen
In lauterem Triumph und rollend spiegeln
Den Schatten wundervoll erhöhten Lebens;
Und Zaum und Zügel aller dieser Wunder
Will ich, wie diesen Stab in meiner Hand,
Beherrschend halten und mein Leid vergessen!
Meint Ihr, der Mann wäre über meine Schwelle
Getreten, wenn er wüsste, dass das ist,
Was ich ableugnete? — Und dieses Haus
Soll nicht zum erstenmal ungastlich heissen!


Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 3, S. 62, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-01-03_n0062.html)