Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 3, S. 73

Ein Rückblick Tod, Reincarnation und Seelenwanderung (Schölermann, Wilh.Hartmann, Franz)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 3, S. 73

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HARTMANN: TOD, REINCARNATION UND SEELENWANDERUNG.

nehmen, oft stark abfallend, dann plötzlich
in die Höhe gehend und ebenso schnell
vorüberrauschend. Waldmüller (der erste
österreichische »Pleinairist«), Schwind,
Führich, Grottger (für seine Zeit), Dan-
hauser Pettenkofen, Schindler, Hör-
mann, das dürften die Gipfel sein, um die
sich einige andere, »kaum niedrigere«
gruppieren. Eine gesonderte Stellung
nimmt Makart, der Komet ein. Sein Einfluss
auf die decorative Malerei ist noch lange
nach ihm in Wien fühlbar geblieben und
nicht zum Schaden. Über die decorative
Richtung in der österreichischen Malerei
und Plastik liesse sich ein eigenes Capitel
schreiben; hier würde es zu weit führen.
Sie ist immer eine starke Seite gewesen.
Auch einige der besten Talente unter

unseren Secessionisten empfinden wesent-
lich decorativ.

Derselbe Zug geht durch die Plastik,
welche stets so tüchtige Vertreter hier
gehabt hat. Freilich, nie wieder einen
Anton Raphael Donner. Die Bedeutung
Victor Tilgners wird die Kunstgeschichte
auf ihr richtiges Mass zurückführen. Aber
die neueste Zeit strotzt von Talent, gerade
in dieser decorativen, malerischen Richtung.
Auch hier würde die Namensliste zu lang
werden, wenn wir damit anfiengen. Aber
eins ist schon sicher heute vorauszusehen:
in Verbindung mit der modernen Architektur
sind der schmückenden und decorati-
ven
Bildhauerei grosse, vielseitige und wich-
tige Aufgaben gestellt! Dass sie dieselben
lösen wird, dürfen wir zuversichtlich hoffen.


TOD, REINCARNATION UND SEELENWANDERUNG.
Von FRANZ HARTMANN (Wien).

Ein Vortrag vom Verfasser der »Lotusblüten«, gehalten in Wien am 6. December 1898 im
Saale des Ingenieur- und Architekten-Vereines auf Veranlassung des »Theosophischen Vereines«.

Unter der Reincarnation oder Wieder-
verkörperung der Menschenseele versteht
man das Wiederauftreten auf der Bühne
des Lebens, der geistigen Individualität
des Menschen in einer neuen körper-
lichen und persönlichen Erscheinung auf
dieser Erde oder einem andern Planeten,
nach dem der vorhergehende menschliche
Organismus, welchen die Seele bewohnt
hat, unbrauchbar für ihre Zwecke ge-
worden ist. Es herrschen über die Lehre
von der Wiederverkörperung die ver-
kehrtesten Ansichten, weil manche unserer
modernen Gelehrten und Orientalisten,
die über dieselbe schreiben, dieselbe ganz
verkehrt auffassen, und sie mit der soge-
nannten »Seelenwanderung« verwechseln,
wobei sie sich vorstellen, dass die Seele
eines Menschen (und der Himmel weiss,
was sie sich darunter denken) in einen
anderen Menschen oder ein Thier
hineinfahre. Dies wäre allenfalls »Be-
sessenheit« aber nicht Reincarnation zu
nennen.

Wenn wir die Wiederverkörperung des
Menschen begreifen wollen, so müssen wir

vor allem erst erkennen, aus was für
Dingen der Organismus des Menschen
zusammengesetzt ist; denn wenn auch der
Mensch ein einheitliches Wesen ist, so ist
doch sein physischer und psychischer
Organismus ein zusammengesetztes Ding,
in welchem verschiedene Elemente, zwar
nicht örtlich von einander getrennt, aber
als Einheiten in einer Einheit bestehen.
Fragen wir den Chemiker, so sagt er uns,
dass der menschliche Körper hauptsächlich
aus Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und
Kohlenstoff bestehe. Von diesen sind die
ersten drei im normalen Zustande gas-
förmiger Natur und wir können daher
den Menschen, so wie wir ihn sehen, als
ein Wesen betrachten, das aus Gasen be-
steht, die in ihm verdichtet oder verkörpert
sind. Der Anatom betrachtet den Menschen
als ein aus Knochen, Muskeln, Sehnen,
Blutgefässen, Nerven und verschiedenen
anderen Organen zusammengesetztes Ding.
Keines derselben ist an sich selbst ein
Mensch, aber alle zusammen machen den
menschlichen Organismus aus, und es ist
keines von atlen entbehrlich.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 3, S. 73, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-01-03_n0073.html)