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die einerseits (wie die Platte, aus welcher
der Kopf eines jungen Bergarbeiters stark
und ungestüm vorspringt) den rücksichts-
losen Ernst seines Auges bestätigen, und
in jenen Reliefs der kleinen »Elisabeth«
und des »Enkelkindes«, darin sich wie in
einem unbelauschten Augenblicke die leisere
Seite seines Wesens verräth. Von Degas
war ein altes Bild da, das wie eine Brücke
zu Ingres schien und viele Balletteusen-
bilder voll Flitterstimmung und Coulissen-
licht. Sie überraschen durch ihre hoffnungs-
lose Hässlichkeit, diese Mädchen, denen
das ganze Leben nach und nach in die
Beine fällt, so dass auf ihren niedrigen
Zwielichtstirnen nur eine stumme, stumpfe
Erinnerung an das Nieerkannte zurückbleibt,
die auch bald in dem erlernten Lächeln
sich verlieren wird. Da stehen sie meistens
in Gruppen herum auf dem öden Ballett-
boden und schnüren ihre Schuhe oder
richten ihre wolkigen Röcke; traurig wie
Vögel, die am Rande einer Entwicklung
ihre Flügel verloren haben und doch die
Beine noch nicht zu brauchen verstehen.
Neben diesem blindvertrauenden Maler-
gefühl Degas’ sah Max Liebermann fast
wie ein Versuchender aus. Er scheint
über die elegante Nachlässigkeit seiner
Meisterskizzen hinauszuwachsen, zu einem
glänzenden, sehr wörtlich gefassten Im-
pressionismus hin, der sich flächenhaft in
der verschwenderischen Farbe entfaltet.
Da war ein Kinderporträt dieser Art,
gleichsam aufgefangen in letzter leuchten-
der Sonne.
Eben ist ein neuer Dreibund begründet
worden, der mir noch merkwürdiger
scheint: James Paterson—Glasgow, J. F.
Rafaelli—Paris und ein Revenant: Félicien
Rops.
Sein Werk war nirgends noch in
solcher Vollständigkeit und in so treff-
lichen Drucken zu sehen. Aus diesem
Grunde scheint es mir gerechtfertigt, ein
paar Worte über den Meister zu ver-
suchen, obwohl erst kürzlich an dieser
Stelle von ihm die Rede war.
Rops wurde zeitlebens nicht viel ge-
nannt. Er war manchen eine Bekannt-
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schaft, von der man nicht spricht. Andere
prahlten damit, und diese haben ihn aus
persönlicher Eitelkeit nach und nach zu
einem Heiligen gemacht. Das ist müssig;
denn er war mehr. Künstler der du bist:
fühlt man vor diesen Blättern zuerst.
Und dann: Er macht den Eindruck
eines Mannes, dem etwas Schreckliches
begegnet ist im Leben. Und nun versucht
er es zu sagen und fühlt jedesmal, wie
jedes Wort zu eng ist für sein Geständnis.
Da zerreist er es und presst in jede der
tausend Formen, welche die reiche Er-
fahrung oder die viel reichere Phantasie
ihm gibt, seiner ein Stück. Und dennoch
kann es sein, dass er stirbt, ohne es ganz
untergebracht zu haben; denn was ihm
geschah, geschah einer Welt. Aber er
ist der einzig Sehende unter den Süchtigen
und sagt, was er sieht.
Er ist Historiker und führt eine fana-
tische Sprache. Wie mancher Maler vor
ihm erzählt er die Geschichte eines Gottes,
der im Unbewussten unser Besitz und
willig war, und der, erst als der Zweifel
ihn rief, sich losriss mit allen Wurzeln,
um jenseits von uns gross und fremd und
feind zu werden. Das ist immer der Sinn;
ob sie nun sagen: Gott, das Gericht,
oder: Gott, der Tod.
Rops schreibt als erster riesengross
über sein Werk und über die Welt: »Gott,
das Geschlecht.«
Und er erzählt von diesem ältesten
Gotte der Menschen. Erst ihren Leib
entlang. Da spricht er von ihm wie von
einem ungestümen Willen, dem zu wider-
streben sie längst aufgegeben haben. Später
nennt er ihn einen Herrn, der sich in
ihrem Wesen ausbreitet und der alles ver-
geudet: ihre Schönheit und Kraft. Und
plötzlich reisst er mit einer Riesengeberde
das Geschlecht von den schwächlichen
Leibern los und hält es gross über sie,
so dass alle ihre Tage und Thaten davon
beschattet sind.
Das ist die Steigerung im Werke des
Félicien Rops.
Und ich denke an dieses grandiose
Blatt: das Geschlecht hat sich von dem
Körper befreit, wie von einem Zuviel.
Satan naht sich der Welt, und sie ist
ein Wald männlicher Geilheit. In seinen
Händen hält er das weibliche Geschlecht
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