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Zwei Premièren. Unlängst hat
Hermann Bahr sich in einem Zuge mit
Arthur Schnitzler beinahe wegwerfend ge-
nannt: er meinte, beide seien ganz nette
Theaterleute. Wir aber stellen sie neben-
einander, damit es keinem Zweifel unter-
liege, dass in der That etwas Gemeinsames
zwischen ihnen nicht besteht. Schnitzler
ist eine strebsame Künstlernatur, Bahr
dagegen ein Lieferant von Dutzendware.
Schnitzlers Gestalten wachsen — aller-
dings in der Regel auf schlechtem Erdreich
— organisch heran, Bahr flickt seine
Figuren aus allerlei Material zusammen und
überlackiert die Ritzen zum Zwecke der
Irreführung des Publicums. Die Kunst
Schnitzlers vollendet sich mehr und mehr,
nur sein Gesichtsfeld will sich nicht
erweitern. Die grosse Einsicht bei der
Wahl des Themas, welche die grossen
Dichter an den Tag legten, war gewiss
keine unkünstlerische Findigkeit. Der Stoff
flog ihnen zu wie jeder andere grosse
Gedanke. Bei den Bahr’schen Erzeugnissen,
auch im »Star«, spielen seine Zettelkasten-
Notizen die Hauptrolle. Auf den Schein ober-
flächlicher Natürlichkeit ist sein ganzes
Streben gerichtet. Er stellt lebendig gemalte
Puppen hin, aber innen sind sie mit Säge-
spänen oder Werg gefüllt. Dramatische
Gestaltungskraft besitzt er keine. Im
Schnitzler’schen »Vermächtnis« gibt es
fast durchwegs wirkliche Menschen, aus-
gerüstet für weite, innere und äussere
Handlungswanderungen, aber Schnitzler
lässt sie nur auf einem kleinen Fleck
herumtrippeln — also auch Puppenschritte
machen. Während wir sie auf der Bühne
sehen, wirken sie oft recht langweilig,
weil sie unsere Phantasie knebeln, nach
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der Vorstellung aber beginnen sie sich
zu recken und wenn wir acht Tage
von ihnen entfernt sind, lassen wir die
Schnitzler’schen Gestalten ganz andere Ver-
bindungen in unseren Gedanken eingehen,
die uns weit mehr interessieren, als es der
Dichter imstande war. Schnitzler ist ein
immerhin ernst zu nehmender Wiener Dra-
matiker, Bahr dagegen arbeitet, ohne dass
er sich es klar zu machen im Stande wäre
am literarischen Niedergang unserer Stadt:
er verwirrt die Kunstregeln. Er gilt in
Deutschland als Standarte der schrift-
stellerischen Lächerlichkeit, die über Wien
flattert. —i—.
Hofoperntheater. »Donna Diana«
von Reznicek ist die Schöpfung eines
musikalischen Journalismus. Je nach seinen
eigenen Sympathien für journalistisches
Denken, Fühlen, Kunstmachen wird man
dieses Werk als pikant, geistreich und
ähnlich bezeichnen, oder als flach, auf-
dringlich gemacht. Jede dieser Meinungen
hat ihre relative Berechtigung. Für den
l’homme médiocre bedeutet die jour-
nalistische Kunst — die oberflächliche,
brillante, technisch-geschickte — sicher
eine Verfeinerung und eine höhere Stufe
der Cultur. Er findet in ihr seine eigenen
trivialen Vordergrundsgedanken wieder,
durch zärtliche Sentiments, witzige Ein-
fälle, cultivierte Glätte erhöht, auf einen
Thron erhoben. Sie präsentieren sich ihm
in einem höheren Entwicklungsstadium,
des Geistes, mit aller Autorität des Classi-
cismus ausgestattet. Aufs musikalische
Gebiet angewandt: man wird die Rasse
der banalen Menschen nicht verbessern,
indem man ihnen die Werke Richard
Wagners aufdrängt, zu welchen sie ihrer
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