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kühnen faustischen Glauben hegen, »dass
er ein Schöpfer geboren — — «
Und meisterst Du sonst im Weltengebiet,
Ich wirke ein grösseres Meisterstück:
Ich stimme an das Lied vom Glück.
Ich fühl’ Unsterblichkeit, ich schaff’ Unsterb-
lichkeit!
Sag’ mir, o Gott, was Gröss’res Dir gelang?
Jawohl, sein Leben war ein Stück Erz,
aber es bekam dennoch Sprünge. Es hatte
für ihn »nur einen einzigen Frühling ge-
habt«, damals (1812), als die Polen
die Ankunft Napoleons und seiner
Riesenarmee, sowie Dombrowskis an der
Spitze der polnischen Legion erwarteten
mit Hoffnungen, die einem Märchen
glichen und auch wie ein Märchen ver-
blichen. Und damals zählte Mickiewicz
vierzehn Jahre. Sonst sei sein Leben das
kürzeste und sein Fühlen das allergewal-
tigste gewesen, denn
»Gleich wie die Biene ihr Herz lässt, wo sie
den Stachel versenket,
So hab’ ich mit meinen Gedanken mein Leben
im Himmel ertränket.«
Wir sehen Mickiewicz nun dunkle und
schwere Probleme mit sich herumtragen
wie unwälzbare Steinkolosse. Schwer lastet
auf ihm das Schicksal seines Volkes, der
Zwiespalt zwischen seiner künstlerischen
und historischen Mission. Der Fluch ist
jetzt sein einziges dichterisches Motiv —
»Den Giftkelch giess ich nun weit auf der
Menschheit Stätte
Mein Wort — mein bitt’res Gift, voll zehrend
heissen Brandes:
Ich sog es aus dem Blut, den Thränen meines
Landes «
Er tauscht die eine Mission um die
andere, er wird ein Hasser, er wird tragisch.
Sein Dichten wird ein Monologisieren und
seine intensivste Lebensäusserung, seine
grösste Selbstherrlichkeit wird in jenem
berühmten Monolog der »Dziady« erreicht:
»Ich fühl’ Unsterblichkeit, ich schaff
Unsterblichkeit: Sag’ mir, o Gott, was
Gröss’res Dir gelang?« Er dichtet eine
»Ode an die Jugend«, deren letzte Strophe
an das Thor des Rathhauses zu Warschau
geheftet wird, alles, was Harmonie und
Artistik in ihm war, wird zersprengt zu
formlosen Kolossen, eine grosse Verein-
samung kommt über ihn und er gleicht
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nun schier jenem Jüngling in seiner Tirar-
dowski-Ballade, der in seiner Verlassenheit
versteinert.
Da erlebt er eine abermalige Krisis,
sein Wesen wird biegsamer, denn brechen
konnte es niemals. Er steigt einige Stufen
von den Höhen seines Hasses, es scheint
fast, dass er sich demokratisiert. Aus dem
Katholiken wird ein Christ. Denn eines
Tages war aus den Ebenen Litthauens ein
Mann zu ihm gekommen, der Towianski
hiess. Ein Mann, »der vom Geist Gottes
erfüllt war und das ermattete Christenthum
erneuern, es in lebendige Thaten um-
gestalten wollte«. Adolphe Lêbre erzählt
von Towianski, dass sein Wesen fast
unbeschreiblich sei: »wie gewaltig war
dieser Mann schon, wenn er schwieg, wie
gross war sein Scharfsinn bei einer fast
weiblichen Zärtlichkeit. Er hatte eine
»königliche Heiterkeit«; sein Gesicht sei
das zarte Gesicht eines Weibes gewesen
und die Stirne war jene eines Monarchen.
Es war alles Güte an ihm, aber eine
heroische Güte.«
Mit ihm rang Mickiewicz nur einen
grossen, schweren Moment, um sich ganz
besiegt zu geben. Und sie werden nun
beide Gottsucher und sie glauben, dass
sie das Christenthum wieder entdeckt hätten,
»dessen reinste Quellen man verschüttet
hatte«. »Sie verstehen nicht, was Christus
ist,« ruft Towianski aus. »Die Welt kannte
ihn bisher in seiner Demuth, seiner Geduld,
gewissermassen in seiner Schwäche und
diese Auffassung möchte sie verewigen,
Aber Christus ist nicht schwach, er ist
ein Held und in seinem Heldenthum wird
ihn unser Zeitalter erschauen.« Für die
beiden aber war Jesus der Überwinder,
der grosse Einsame, derjenige, der die
alten Gesetzestafeln zerbrochen, ein nahezu
Nietzsche’scher Christus: Der Übermensch.
Man hat oft die Behauptung aufgestellt,
ja es ist beinahe zur dunklen Legende
geworden, dass Mickiewicz an Towianski
zerbrach. Aber dieser hatte Mickiewicz
nur wiedergegeben, was ihm verloren zu
gehen drohte, er hatte seinen Nachen ans
Ufer gebracht und so endete Mickiewicz’
Leben mit vollen Consequenzen. Er weilte
niemals so sehr auf dieser Erde als in
jener letzten Zeit seines Lebens, als er
diese zu überwinden suchte. Er starb
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