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und Beleuchtung, nie weicher; die Berüh-
rung einer Künstlerhand zittert noch
darauf. Eine schmiegsame und richtige
Zeichnung hebt alles mehr hervor, con-
struiert die Hütten, die Baumgruppen, die
Blätter, und, ohne eine zu getreue Copie
zu machen, stellt Ensor durch eine vor-
treffliche Luftspiegelung — eine Menge
kleiner, nervöser Striche — die Illusion
der Natur wieder her.
In dieser Hinsicht ist der Stich
»L’Orage«, wo der Regen die grellbeleuch-
teten Baumriesen peitscht, ein Meisterwerk
der Ausführung und der Idee, und ebenso
»Le pont à la lisière d’un bois«, »La vue
générale de Mariakerke« mit dem wolken-
schweren Himmel. Die grauen, geheimnis-
vollen Seebilder erinnern mich unwillkürlich
an die Lithographien von James Whirtler.
Er allein, der feine aristokratische Zauberer,
hat es verstanden, auf diese Weise das
leise Zittern eines Mastreflexes im nebeligen
Wasser, das Beben des Takelwerkes im
Winde, die Silhouette eines Quai unter
der Wirrnis von Werg und Schnüren,
oder die wässerige Atmosphäre eines nörd-
lichen Hafens wiederzugeben. Der grosse
Stich »Bassin à Ostende«, der nach meiner
Meinung der vollkommenste Ensors ist,
vereinigt sich, ohne dass es den Anschein
hat, mit den köstlichsten Aufzeichnungen
des Verfassers der »Nocturnes«. — Und
die ganze Serie soll man sehen und wieder-
sehen, denn je mehr man sie studiert, desto
mehr unerwartete Reize der Technik bieten
sie, wie z. B. die decorative Wolke, die
oberhalb der »Barques échouées« schwebt.
Diese Zeichnungen oder das Bildnis von
Hector Denis oder das eines Geistlichen
mag all jene Liebhaber beruhigen, die
das Carikierende in den phantastischen
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Platten Ensors vielleicht auf falsche Fährte
gebracht haben wird. Man findet hier den
Maler, der versteht und fühlt, bei dem der
starke Eindruck nicht den Grundzug der
Arbeit stört. Als Beispiel von Verständnis
in der Anordnung, im Entwurfe nenne
ich allen lernbegierigen Stechern: »La
maison à Bruxelles«, »L’Hôtel de ville
d’Andenaerde«, »La rue de Bon-secours«,
und insbesondere die köstliche, kleine
Crypte, wo die frische, duftige, leichte
Atmosphäre der Kapellen zitternd schwebt.
— Das sind Museumsstücke, Spitzen auf
altem Elfenbein, von einem Künstler aus-
geführt, welcher es verstanden hat, im
Stiche Mittel zu finden, die man so voll-
kommen vor ihm nicht kannte und
der in der Domäne der »Verfeinerung
der Beleuchtung« hervorragend gewor-
den ist.
Darin haben die Stiche von James
Ensor ihre wahre Unterschrift, den Stempel,
der sie weit besser als die Unterzeichnung
unter allen anderen der Gegenwart dem
Liebhaber bemerkbar macht. Sie behalten
sich ihren Platz unter den ernsten Cartons
vor, weil sie etwas Unersetzbares haben,
die bernsteinfarbene, klare Mattigkeit,
welche sich auf dem Antlitz ihres stillen,
geduldigen und tief denkenden Verfassers
wiederzuspiegeln scheint. Ich wäre glücklich,
würden sie sich verbreiten und würde der
Ruf James Ensors mit der Brüsseler Elite die
Stimmen der Allgemeinheit vereinen, wie
ich nicht zweifle, dass es ohne die schwache
Hilfe dieser Studie geschehen wird. Solche
Werke stellen sich selbst aus und wirken
selbst, und ich sprach mehr aus Ver-
gnügen, von Schönem zu reden und um
Ensor meine Dankbarkeit auszudrücken,
als zur Belehrung des Publicums.
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