|
Endlich will ich besondere Gewänder
für meine Schauspieler haben. So eine
Art stylisierte Alltagskleider von einfachem
einfarbigen Stoff. Kleider, die andeuten,
dass dies ein Soldat ist, dies ein Kauf-
mann, dies ein Jurist und so weiter.
All der Theaterplunder, der jetzt die
Bühne überschwemmt und das Schauspiel
herabdrückt, ohne die Naturtreue zu er-
höhen, muss fort. Das Schauspiel selbst,
die Repliken, der Inhalt soll die Zuhörer
fesseln und die Illusion hervorrufen.«
Ich kann unmöglich alle interessanten
Themen anführen, die Strindberg aufs
Tapet brachte. Aber, was immer wir
discutierten, er kam stets mit neuen
Gesichtspunkten, nichts konnte er be-
rühren, ohne dass es Leben bekam unter
seiner kräftigen Schöpferhand, die Ideen
wurden aus seinem Hirn geschleudert wie
Donnerkeile.
Er ist derselbe Strindberg wie ehedem,
ebenso elastisch und ebenso sprudelnd.
Es ist dennoch etwas Neues über ihm.
Der fünfzigjährige Strindberg ist ein vom
Leben und den harten Seelenkämpfen ge-
läuterter Mann. In seinem Inneren herrscht
eine gewisse Ruhe, er fühlt, dass er end-
lich den Weg gefunden, den er bis zum
Ende gehen kann.
Darum konnte er auch wohl zu seiner
Dichtung zurückkehren, sein geliebtes
Drama wieder aufnehmen, das Paradies,
nach dem er sich stets zurückgesehnt.
Wir sprachen auch vom Occultismus.
Strindberg beobachtet noch immer
alles um sich, mit derselben Intensität wie
in seinen Infernotagen. Aber er ist jetzt
zu grösserer Klarheit gelangt und be-
trachtet die Phänomene mit Ruhe und
ohne Furcht.
Er hat etwas von der Sensibilität eines
Mediums in seinem Wesen. Er spricht
Gedanken im vorhinein aus, bevor man
sie auch nur zu Worten formuliert. Ein-
mal ums andere voraussagt er Dinge, die
kurz darauf eintreffen.
Ehemals waren die Skalden auch
Seher. Warum sollte die Zeit nicht wieder-
kommen, wo sie es aufs neue würden?
|
Von nichts spricht Strindberg doch
so schön wie vom Tode. Er erzählt von
einem Freunde, der jüngst dahingegangen.
Der Sterbende war ihm einmal ums an-
dere doppelt erschienen, gleichsam als
suchte er sich in zwei Wesen zu theilen.
Als der Todeskampf sich einstellte, be-
gann er den Kopf nach vorwärts und rück-
wärts zu werfen. Es schienen nicht die
Qualen zu sein, die ihn dazu zwangen,
sondern es war, als läge er in Geburts-
wehen, als sollte aus seinem mensch-
lichen Wesen ein neues Wesen hervor-
geschaffen werden, in das er so nach und
nach übergieng.
Als sich endlich der Tod einstellte,
geschah es unmerklich und sachte, bis
schliesslich sein Antlitz einen Zug des
Staunens bekam und der eine Mundwinkel
in halb bitterer, halb froher Verwunderung
nach abwärts gezogen wurde, gleichsam
als wollte er sagen:
»Ja so, ist es nichts anderes!«
Später nachts giengen wir spazieren.
Es war ein schöner Winterabend mit
Frost und funkelnden Sternen.
Strindberg hatte zu lange stille ge-
sessen und fühlte einen unbehaglichen
Druck im Herzen.
»Ich vertrage das Nachtwachen jetzt
nicht,« sagte er. »Aber ich kann es dennoch
nicht lassen, hie und da einen Abend beim
Becher zu verbringen. Das frischt einen auf,
wenn man längere Zeit zu regelmässig
gelebt hat, und bringt Fahrt ins Blut.«
Er führt übrigens hier in Lund so
gut wie ein Einsiedlerleben. Er hat wohl
eine Anzahl Bekannte, aber nicht mit
vielen scheint er eingehend über die Dinge
discutieren zu können, die ihn am meisten
interessieren, besonders über literarische
Themen.
Als wir am nächsten Tag unten bei
der Station Abschied von Strindberg
nahmen, fragte ich ihn, wann wir ihn
in Stockholm wegen seines Theaters er-
warten dürften.
»Ah, das dauert wohl noch einige
Zeit. Ich wage es nicht, mich irgend-
welchen Dinerstrapazen auszusetzen.«
So schüttelten wir uns die Hände und
trennten uns.
|