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Im Schwarzfjord nördlich von Senjen
wohnte ein Bursche, der Eilert hiess. Die
Nachbarn seiner Eltern waren Seelappen,**
und unter ihren Kindern fand sich ein
kleines, bleiches Mädchen, das durch seine
tiefdunklen dichten Haare und seine grossen
Augen auffiel. Sie wohnten hinter dem
Felskegel auf der andern Seite der Bucht,
dicht unten am Meer und betrieben, ge-
rade wie Eilerts Eltern, Fischfang. Aber
daher kam es auch, dass zwischen ihnen
keine sonderliche Freundschaft herrschte;
denn die guten Fischplätze in der Nähe
waren nicht gross, und jeder wollte am
liebsten dort allein fischen.
Obwohl also die Eltern es niemals
gern sahen und es ihm sogar oft verboten,
schlich Eilert sich doch immer wieder zu
den Lappen hin. Man erzählte dort so
viele märchenhafte Geschichten, und er
bekam allerlei seltsame Dinge über all das,
was es auf den Fjaellen gab, wo die
Heimat der Lappen war und wo in alten
Zeiten zauberkundige Lappenkönige wohn-
ten, zu hören, sowie auch von dem, was
unter dem Meere wäre, wo der Meergeist
und die Meergespenster hausten. Die
letzteren wären mächtige, böse Geister,
und Eilert erstarrte manchmal das Blut,
wenn er da so sass und zuhörte. Sie er-
zählten, dass der Meergeist hauptsächlich
sich beim Mondschein auf dem Ebbe-
strand sehen liesse, dort, wo es viel Tang
gäbe, statt eines Kopfes hätte er eine Tang-
blase, die aber so merkwürdig aussähe, dass
niemand, der ihm in die Nähe käme, es
unterlassen könnte, in das entsetzliche,
bleiche Antlitz hineinzuschauen. Sie hätten
ihn schon mehrmals gesehen, und ihn
einmal sogar von Ruderbank zu Ruder-
bank aus dem Boot getrieben, in dem er
eines Morgens sass und die Ruder um-
gedreht hatte. Wenn Eilert dann im
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Dunkeln um die Landzunge am Strande
entlang über die »Tanglagerspitze« nach
Hause eilte, wagte er kaum, sich umzu-
sehen, und der Angstschweiss stand ihm
auf der Stirne.
Die Feindschaft zwischen seinen und
ihren Eltern stieg, je mehr sie einander
vorzuwerfen hatten, und Eilert hörte da-
heim viel Böses sagen von den Lappen.
Bald dies, bald jenes. Sie ruderten nicht
einmal wie ehrliche Menschen, denn nach
lappischem Brauche machten sie hohe und
schnelle Ruderschläge, als wenn sie Weiber
wären, und schwatzten und lärmten beim
Rudern, statt im Boot recht still zu sein.
Was Eilert jedoch am stärksten erregte,
war, dass in der Familie der Frau des
Lappen Abgötterei und Zauberei betrieben
sein sollte. Er hörte auch, dass es »ganz
unzweifelhaft« eine Schande sei, Lappen-
blut in den Adern zu haben, denn die
Lappen wären eben nicht so wie andere
ehrliche Leute, die Obrigkeit hätte ihnen
ihre besonderen Begräbnisplätze auf dem
Kirchhof und ihre besonderen »Lappen-
bänke« in der Kirche angewiesen. Das
hatte Eilert mit eigenen Augen in der
Kirche zu Berg gesehen.
Alles dies that ihm leid, denn er
konnte nichts dafür, er hatte die Leute da
unten in dem Lappenhause sehr gern und
besonders mochte er die kleine Zitta, mit
der er immer zusammen war. Sie wusste
so viel vom Meergeist zu erzählen. Aber
nun hatte er fast ein schlechtes Gewissen,
wenn er mit ihr spielte; und wenn sie
ihn beim Erzählen mit ihren grossen,
schwarzen Augen anstarrte, konnte ihm
manchmal ganz bange werden — denn
er musste dann daran denken, dass sie
und die ihrigen zu den Verdammten ge-
hörten und wohl nur daher so viel von all
solchen Dingen wüssten. Aber das that
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