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Während die beiden so zusammen
dahin schritten, erklärte sie ihm viele
Dinge. Hoch oben sah er etwas, was
einer dunklen Wolke mit weissen Rändern
ähnelte, und unter ihnen bewegte sich
eine Gestalt hin und her, die einem Hai-
fisch ähnlich sah.
»Was Du hier siehst, ist ein Fahr-
zeug,« sagte sie, »oben ist jetzt schlimmes
Wetter, und darunter befindet sich der,
welcher heut’ Nacht bei Dir auf dem Boot-
kiel sass. Erleidet es Schiffbruch, gehört
es uns, und dann bekommst Du den Vater
heut’ wohl nicht mehr zu sprechen.« Als
sie das sagte, leuchtete ein wilder, raub-
thierartiger Schimmer in ihren Augen auf,
der indessen sogleich wieder verschwand.
Überhaupt war es nicht leicht, über
ihre Augen ins Klare zu kommen. Meist
waren sie unergründlich schwarz, mit
einem Glanz, wie eine Nachtwelle, in der
das Meerleuchten spielt; aber bisweilen,
wenn sie lachte, leuchtete ein heller, see-
grüner Schimmer darin auf, als wenn die
Sonne tief durch das Meer hindurchscheint.
Ab und zu kamen sie an einem im
Sande halbvergrabenen Boote oder an
einem Fahrzeug vorbei, durch dessen
Kajütenthüre und Fenster die Fische ein-
und ausschwammen. Bei den Wracks
irrten Menschengestalten umher, die nur
aus blauem Rauch zu bestehen schienen.
Seine Begleiterin erklärte, es wären die
Geister von Ertrunkenen, die kein christ-
liches Begräbnis bekommen hätten —
man müsse sich vor ihnen inacht nehmen,
da diese Todten sehr böse wären. Sie
wissen immer voraus, wenn einer von
ihrer Familie Schiffbruch erleiden soll,
und heulen dann die bekannten Todeswar-
nungen des Meergespenstes in die Winter-
nacht hinaus.
Späterhin führte der Weg quer über
ein tiefes, dunkles Thal. In den Fels-
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wänden weiter hinten sah er eine Reihe
viereckiger, weisser Thüren, durch die
eine Art Nordlichtschein in das Dunkel
hinabfiel. Das Thal erstreckte sich nord-
ostwärts unter Finmarken hin, sagte sie,
und hinter den weissen Thüren wohnten
die alten Lappenkönige, die auf dem
Meere umgekommen wären. Sie gieng hin
und öffnete die nächste der Thüren — es
war der letzte König unten in Salten,
der bei jenem Sturm in den Grund ge-
segelt war, den er selbst hervorgezaubert
hatte, dann aber nicht mehr zum Auf-
hören zu bringen vermochte. Auf einem
Steinblock sass da ein runzeliger, gelber
Lappe mit triefenden Augen und einer
dunkelrothen, blanken Goldkrone. Sein
grosser Kopf wackelte hin und her auf
einem dünnen, welken Halse, als wenn
er von der Strömung des Wassers bewegt
würde. Bei ihm auf der Bank sass ein
noch verschrumpelteres und gelberes kleines
Weib, das auch eine Krone auf und die
Kleider mit allerhand farbigen Steinen
besetzt hatte. Sie rührte mit einem Stock
in einem Kochtopf herum. Wenn sie nur
Feuer darunter gehabt hätte, sagte das
Mädchen, würde sie und ihr Mann bald
wieder über das Saltenreich geherrscht
haben, denn was sie da rührte, wäre ein
Zaubertrank.
Mitten auf der Ebene, die sich vor ihnen
bei einer Wegbiegung öffnete, standen
eine Menge Häuser wie eine kleine Stadt
beisammen, und ein Stück davon sah er
eine umgekehrte Kirche ohne Thurm-
spitze, die gleichsam mit ihrem langen,
spitzen Thurm sich unten im Wasser ab-
spiegelte. In den Häusern, erklärte das
Mädchen, wohnte ihr Vater und die
Kirche sei eine der sieben, die in seinem
Reiche ständen, das sich über ganz Helgo-
land, Salten und Finmarken ausdehnte.
Gottesdienst würde in ihnen nicht
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