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abgehalten, aber das käme schon noch,
wenn der ertrunkene Bischof, der draussen
sass und sann, nur auf den Namen des
Herrn kommen könnte, dem der Dienst
geweiht werden sollte — dann würden
alle Meergeister die Kirchentaufe be-
kommen. Er sässe da nun schon acht-
hundert Jahre und sänne, aber nun fände er
ihn wohl bald. Vor hundert Jahren habe
der Bischof den Rath ertheilt, einen Meer-
geist nach der Kirche von Rödö hinzu-
senden, um den Namen zu erfahren; aber
jedesmal, wenn das Wort ausgesprochen
wurde, auf das es ankam, verhallte der
Laut. In den Berg »Kunnan« hängte der
König Olaf eine Kirchenglocke aus purem
Gold, und darüber wacht der erste Priester,
der nach Nordland kam, in weissem Mess-
gewande. An dem Tage, da er mit der
Glocke läutet, wird aus dem Berge
«Kunnan« eine grosse Steinkirche, in der
ganz Nordland, sowohl das überseeische,
als das unterseeische, Gottesdienst ab-
halten wird. Aber es dauert noch lange,
und darum werden alle diejenigen, die
hinunterkommen, vom Bischof gefragt,
ob sie ihm den Namen sagen können.
Da wurde Eilert ganz seltsam zu
Muthe und noch seltsamer, als er darüber
nachdachte und bemerkte, dass er ihn
nun auch vergessen hatte.
Während er so in Gedanken dastand,
sah ihn das Mädchen ängstlich an, fast
als wenn sie ihm suchen helfen wollte,
und ward dann plötzlich leichenblass.
Nun kamen sie zum Hause des Meer-
geistes. Dasselbe war aus Bootkielen und
grossen Wracks erbaut, in deren Vertie-
fungen wie auf einem Torfdach allerhand
Seegras und schleimiges Grün wuchs.
Drei riesengrosse, grüne Balken voller
Muscheln bildeten die Pforte, und die
Thüre bestand aus auf den Grund gesun-
kenen Wrackplanken mit Nietnägeln darin.
Mitten darin sass, wie ein Handgriff, ein
schwerer, verrosteter, eiserner Ankerring,
an dem ein abgenutztes Stück eines dicken
Ankertaus herabhing. Als sie dorthin
kamen, streckte sich ein großer, dunkler
Arm heraus und zog die Thüre auf.
Sie befanden sich nun in einer ge-
wölbten Stube mit feinem Seesand auf
dem Boden, in den Ecken lagen allerhand
Taue, Garn und Schiffsgeräthe und da-
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zwischen Tonnen und verschiedenes Schiffs-
inventar. Auf einem Netzhaufen mit einem
alten, rothgegerbten Segel darüber sah Eilert
den Meergeist, einen breitschulterigen, kräftig
gebauten Mann mit blankem Hut, den er
hoch auf den Kopf zurückgeschoben hatte,
mit dunkelrothem, struppigem, buschigem
Haar und Bart, kleinen, grauen Haifisch-
augen und einem breiten Munde, um den in
diesem Augenblick ein freundliches See-
mannslächeln lag. Er erinnerte mit seiner
Kopfform fast an einen Seehund. Die
Haut sass ihm dunkel und zottig am Halse,
und die Finger waren oben zusammen-
gewachsen. Er sass mit niedergekrem-
pelten Seestiefeln da und hatte die dicken,
grauen Wollstrümpfe hoch am Schenkel
hinaufgezogen. Im übrigen trug er un-
gefärbte Frieskleider mit blanken Glas-
knöpfen an der Weste. Die weite Fell-
jacke war offen, und um den Hals trug
er einen rothen, wollenen Shawl.
Als Eilert hineinkam, erhob er sich
ein wenig und sagte freundlich: »Guten
Tag, Eilert — Du hattest gestern wohl
einen harten Strauss zu bestehen! Na,
setze Dich und iss etwas, Du wirst dessen
bedürfen; und damit spie er einen Strahl
Tabaksspeichel wie mit der Spritze eines
Walfisches aus. Mit dem einen Fuss, der
zu dem Zweck plötzlich ganz seltsam lang
wurde, hackte er aus der Ecke auf nord-
ländische Weise einen Walfischrücken-
wirbel als Sitz für ihn hervor und schob
dann mit der Hand eine lange Schiffskiste
zu ihm hin, auf der die köstlichsten Ge-
richte standen. Da war Grütze mit Syrup
darauf, »Bergfisch«, ein grosser Stapel Fla-
denbrot und noch eine Menge der besten
Schmausereien.
Der Meergeist nöthigte ihn lange zum
Essen nach Herzenslust und bat seine
Tochter, die letzte Krucke mit Trond-
heimer Aquavit herbeizuschaffen. »Von der
Sorte ist der letzte immer der beste,«
sagte er. Als sie ihn anbrachte, meinte
Eilert ihn wohl wiederzuerkennen, er
trug die Lieblingsmarke seines Vaters, und
er hatte selbst vor ein paar Tagen drinnen
beim Landhändler in Kvasfjord den Brannt-
wein gekauft; aber er sagte nichts darüber.
Der Priem, den der Meergeist etwas un-
geduldig im Munde herumdrehte, bevor
er trank, kam ihm auch seltsam ähnlich
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