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dazu ist er da. Wehe dem Lande, in
dem die Hofräthe die Revolutionen be-
sorgen müssen. Wehe dem Lande, in
dem die Regierung, der äussersten wirt-
schaftlichen Noth gehorchend, das Volk
gegen seinen Willen zu freien neuen Le-
bensanschauungen aufstacheln muss. Statt
geschoben zu werden und dem unaufhör-
lichen starken Drucke des nach freier
Bethätigung dürstenden Volkes zu weichen,
muss unsere Regierung ziehen, zerren,
aus dem stupiden Schlafe rütteln. Und
die Geweckten freuten sich nicht des Tages,
sie hatten nur keifenden Zorn, dass man
sie aus bequemer Ruhe aufscheuchte.
Heute hat man nicht mehr den Muth,
zu zetern und zu keifen. Ein grosses
Schämen geht durch unsere Publicistik.
Ein grosses Schämen — angesichts dieser
Schulbubenarbeiten. Schulbubenarbeiten,
die nach der Schulbank riechen, nach der
Schulbank, die von einem starken und
kampfesfrohen Vortrab der englischen
Gewerbebewegung bereits überwunden ist.
Denn was wir hier zu sehen bekommen,
das ist der englische Staat, the Govern-
ment, das alte conservative England.
Und wir haben noch Jahrzehnte zu
arbeiten, bis wir die englische Schulbank
erreicht haben. Überspringen können wir
sie nicht, das ist wahr. Die englische
Gilde, die letzte Etappe des englischen
Kunstgewerbes, die das alte Handwerk
wieder zu Ehren gebracht hat und sich
Lehrbuben erziehen will — zum Unter-
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schiede vom Staate, der noch auf die
Erziehung des Musterzeichners, des All-
around-man beharrt, darf für uns noch
nicht gelten. Kein wirbelloses Thier konnte
auf seinem Wege zum Menschen den
Orang-Utang umgehen.
Sehen wir uns unser Pensum an, das
wir in den nächsten Jahrzehnten zu be-
wältigen haben werden. Da fällt uns vor
allem das Handwerksmässige, Gesunde
der Erfindung auf. Der Handwerker wurde
in England nicht so sehr verdrängt, wie
bei uns. Er wirkt noch. Weiters sehen
wir die Erziehung des Musterzeichners.
Eine Pflanze wird zuerst naturalistisch in
die Fläche gebracht, also gezeichnet und
dann auf verschiedene Techniken, als:
Spitzen, Tapeten, Stickerei, Keramik etc., an-
gewendet. Das ist uns neu. Bei uns machte
man das nämlich so: Ein Mann stilisierte
das ganze Pflanzenreich oder Thierreich
durch. Wofür? Ja, das wusste er selber
nicht. Man konnte sie ganz nach Wunsch
anwenden. Eisen, Holz, Papier und Seide.
Der Mann und sein Verleger machten
gewöhnlich ein gutes Geschäft. Der
Musterzeichner hatte dann nur für das
nöthige Pauspapier zu sorgen.
Schularbeiten englischer Kunstgewerbe-
schüler sind gegenwärtig im Öster-
reichischen Museum zu sehen. Sie wirken
deprimierend. Denn auf uns arme Zurück-
gebliebenen, Zurückgehaltenen wirken sie
wie Schöpfungen einer ersehnten Zukunft,
der wir erst entgegenstreben.
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