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Kana, das Wasser in Wein — wohl aber
hat er den Nektar — in Bier verwandelt
(Cerebisiam bibunt homines! Klopfe
deutsches Herr — auf deinen Bauch.)
Jenes Getränk, an dem schon die Intelle-
genz von halb Europa gestorben ist; die
andere, bessere Hälfte wird sich hoffent-
lich davon frei erhalten. Die Wirkung
dieses Getränkes fehlt auf dem Klinger-
schen Bilde der historischen Wahrheit
entsprechend. Ich habe sie nie vermisst.
— dies für die Magerkeit. Die Götter
sind nicht herabgekommen, sie sind nur
nicht Fettwänste, sondern intelligente
Wesen, und gehen nicht in schlechtge-
machten »Confections«-Anzügen, sondern,
»wie wir uns mit diesem Faust II. classisch
auszudrücken pflegen«, anständig nackt.
Doch nun zur Hauptsache. Die Idee,
Christus im Olymp, heisst durchaus nicht
Sieg des Christus, nicht mehr als Her-
kules im Olymp, Sieg des Herkules heissen
würde. Christus im Olymp, Herkules im
Olymp, heisst einfach die Aufnahme
eines neuen, noch fehlenden Gliedes
in die Göttergemeinschaft. Das ist
ja ein Sieg, wenn man will. Herkules hat
gesiegt, er hat den Olymp errungen. (Christ-
lich ausgedrückt: »Das Himmelreich leidet
Gewalt. Nur die Gewalt brauchen, reissen
es an sich.«) Ich begreife nicht, wie man
an dieser Auffassung so allgemein vor-
übergehen konnte. Christus im Olymp ist
keine Götterdämmerung, nicht der Tod
der Götter, nicht die Vernichtung des
Olymp, es ist die Rettung des Olymp,
die Rettung des Kosmos. Seltsam, den
sterbenden Zeus haben alle gesehen —
aber den lächelnden Dionysos sah keiner,
so wenig wie die unsterblichen Göttinnen,
die heilige Hera, Aphrodite, Athene. Nur
Altenberg, dank ihm! liess Hera weiter-
leben.
Freilich, Zeus stirbt; und es ist auch
gar nicht schade um den altersschwachen,
langweiligen, logischen Gott, mit dem
schon die Griechen nichts anzufangen
wussten. Ganymed, der Menschheitsge-
danke, findet keine Zuflucht bei seiner ver-
welkten Kraft; einen Gott des Herzens
braucht er. Zeus stirbt; und nun würden
wohl die Titanen den herrscherlosen
Olymp stürmen, dem der Blitzeschleuderer
gestorben ist, und dem ein Mitglied
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immer gefehlt hat: der grosse Bezwinger,
nicht durch Tücke, Logik, Sophimus wie
Zeus, sondern der grosse Bezwinger durch
die Liebe; statt des alternden Gehirn-
gottes ein ewig junger Herzensgott, ein
neuer, schönerer Eros. Ihm fliegt Psyche,
die Menschheitsseele zu. Die grosse Güte
hat im Olymp gefehlt. Nun ist sie da.
Staunend stehen die Götter und wissen
nicht, was werden soll. Nur einer staunt
nicht: Dionysos. Dionysos, der Gott des
wachen wissenden Rausches — weiss,
wer kommt. Er tritt dem neuen Gott
entgegen, mit der vollen Schale, um dem
Erwarteten den Willkommgruss zu bieten,
und die erhobene Hand Christi wehrt
ihm nicht: es ist genau dieselbe Be-
wegung, mit der auch Dionysos die Hand
erhebt. Dionysos, der in allen Menschen
sein will, die seinen heiligen Rausch
kennen, bewillkommt Christus, der die
Menschen so sehr liebt, dass er sein
Blut allen gibt, die sich an ihm berauschen
wollen. Aber grausam ist oft der Rausch
des Dionysos; sein Fest ist die Tragödie;
gütig ist der Rausch Christi, er träumt
von ewigen Freuden. — Und Dionysos
war ein Unterdrückter unter den Göttern,
er hat gewartet auf Zeus’ Tod und die
Ankunft Christi. Er wird den lachenden
Todesreigen tanzen an der Leiche des
Zeus, er fürchtet nicht den neuen Gast,
denn er ist sein Verwandter, sein ergän-
zendes Widerspiel. Auf seinem Antlitz
liegt ein Lächeln, für das wir keinen Namen
haben, μειδᾱν nannte es der Grieche. Es
ist das stille Lächeln seligen (μάχαρος)
Sieges, das heitere Lächeln der grossen
Geschlechtlichkeit, das Lächeln des Welt-
geschlechtes, das auch so tief grausam
ist, grausam sein muss. Zeus wird sterben
— Zeus der Gott der willkürlichen, kleinen,
egoistischen Grausamkeit, die die Titanen
entmannt hat — aber eine neue Götter-
dyas tritt zur Herrschaft. Christus und
Dionysos verschmelzen zu einer neuen
herrschenden Gottzweiheit, mit der nun
der Olymp gerettet ist und Christus-Dionysos
heisst der neue Gott.
Christus im Olymp, das heisst die
grosse Güte nicht statt der grossen
Grausamkeit, mit ihr, neben ihr; die
grosse Güte in der grossen Grausamkeit,
das ist Christus-Dionysos. Weltgeschlecht,
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