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»Siehst Du meine Lippen dürsten,
Geliebte?«
»Ja — ich sehe Deine Lippen dürsten
und ich empfinde Wonne« —
»So liebst Du mich? Wenn Du Wonne
empfindest, Wonne —?«
Er bringt seinen schönen, blonden,
Kopf mit dem spitz geschnitten Künstler-
vollbart ihrem blassen, nervösen Mignon-
gesichtchen ganz nahe, so nahe, dass sie
ihn nicht mehr genau sehen kann. Aber
sie schiebt ihn zurück mit einem kalten,
grausamen, herzlosen Lächeln.
»Ich empfinde Wonne, Dich so dürsten
zu sehen und Dir nichts zu gewähren.«
»Nichts?«
»Nichts.«
»Du bist grausam, Minna.«
»Ja.« — Sie streckt und räkelt sich
behaglich auf ihrem weichen, mit einem
Tigerfell bedeckten Polstersopha. Pfauen-
blaue Seidenkissen liegen verstreut auf
dem tiefgoldgelben Fell. Sie liegt da, fast
zu seinen Füssen, lässig, graziös in ihrer
kinderhaften Magerkeit mit halbgelösten,
schweren, dunklen Haaren, mit einem
süssen, gedankenlosen Kindergesicht, in
dem nur die Augen, die wissenden, bren-
nenden Augen und die heissen Lippen von
ihrem Frauenleben, von ihrem Frauen-
fühlen erzählen.
»Ja, das ist eigentlich der einzige
Reiz, den die Liebe für mich hat: quälen,
quälen und lachen über die Qualen der
Opfer.«
»Quälst Du Deinen Mann auch so?«
fragt er mit mühsam erzwungenem Spotte.
Sie soll nicht sehen, dass er leidet. Der
schlanke, jugendlich frische Mann nimmt
alle Kraft zusammen, um es ihr nicht zu
zeigen. So eine Katze, so eine wunder-
schöne Katze, dieses Weib!
Er möchte sie peitschen und strafen,
weil sie ihn leiden lässt. Aber er fühlt,
dass seine Zeit noch nicht gekommen ist.
Er hat vorläufig noch keine Macht
über sie. Sie liebt ihn noch nicht.
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Aber sie wird ihn lieben, und dann
— dann wird er sie auch die unerhörte
Qual der zum Spielzeug herabgewürdigten
Leidenschaft fühlen lassen. Alles, was er
jetzt duldet, soll sie auch dulden! Sie soll
dürsten nach seinen Küssen, nach seiner
Liebe, wie er jetzt nach ihrer Liebe dürstet;
sie soll sich verzehren in brennender Qual,
und er — er wird ihr dann nichts ge-
währen, wird sich mit Wollust an dem
Anblick ihrer Leiden ergötzen, er wird
sich rächen — rächen für alles!
Wie zwei feindliche Klingen kreuzen
sich die Blicke der beiden, leuchtend,
funkelnd, aber nur eine Secunde.
Danach hat sie gesiegt.
Er beugt sich zu ihr, sinkt an ihrer
Seite nieder und ist froh, dass er seine
heissen Hände in ihre glatten, kühlen
Seidenpolster einwühlen darf.
»Man verliert seinen Verstand, wenn
man so liebt, wie ich Dich liebe, so heiss,
so wild, so unglücklich,« flüstert er.
Sie greift nach ihrem Cigarettenetui und
nimmt eine Cigarette, die sie langsam
und umständlich anzündet.
Dabei richtet sie sich auf und stellt die
Füsse auf den Teppich, schmale, magere
Füsschen in schwarzen Seidenstrümpfen
und ganz losen, kleinen Pantoffeln.
»Weisst Du, Gustav, das kann mein
Mann auch, so einfach zärtlich sein, mich
küssen und mir ein paar verrückte Worte
sagen über seine Liebe, oder über meine
Schönheit, oder so was.« —
Sie lacht wie ein Kind zu ihm auf.
Sie spielt mit Streichhölzern und Cigaretten,
wie ein kokettes, albernes Kind, und mit
Menschenherzen spielt sie wie eine Sphinx.
Ihre Augen brennen.
Eine dunkle Blutwelle röthet ganz
plötzlich sein durchgeistigtes, helles Ge-
sicht. »Erzähl’ mir nicht von dem Manne,
nur nicht von Deinem Manne! Du machst
mich sonst rasend.«
Er drängt seinen Kopf neben sie, die
wieder in ihre weichen Kissen zurück-
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