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Die vorliegende Schrift ist eine Ent-
gegnung auf die bekannte Flugschrift des
Professors Schell in Würzburg. Sie will
auf 96 Octavseiten beweisen, dass alle
Religion dem Fortschritte feindlich ist,
ist sehr unerquicklich zu lesen und wimmelt
von oberflächlichen und unrichtigen Be-
hauptungen. Der Verfasser hat ohne Zweifel
viel gelesen, aber wenig gedacht. Seine
angeblichen Beweise zeugen von grosser
Oberflächlichkeit des Denkens. Ich will
einige seiner Sätze herausheben, um zu
zeigen, in welchem Geiste das Buch ge-
schrieben ist: »Die meisten Kriege waren
im letzten Grunde Religionskriege. Re-
ligionsfreie Völker haben aber gar keinen
Grund mehr, sich zu bekriegen, da alle
anderen Streitigkeiten sich auf friedlichem
Wege erledigen lassen.« Waren etwa die
Eroberungskriege Napoleons I. Religions-
kriege und warum sollten sich die Völker
aus Religion lieber die Hälse abschneiden
als um materieller Vortheile willen? Die
Wahrheit ist vielmehr, dass selten oder
nie irgend ein Volk aus religiösen Motiven
allein Krieg angefangen hat. Die Religion
war meist nur ein untergeordnetes Moment
oder ein Vorwand, der Hauptgrund war
stets ein politisch-materieller. »Keine Re-
ligion eignet sich für jedes Klima, jede
Bevölkerung und jedes Land.« Den Be-
weis bleibt er schuldig. Thatsächlich finden
sich Katholiken in allen Zonen und be-
thätigen sich auch als Christen, wie z. B.
ihre Standhaftigkeit bei Verfolgungen be-
weist, wovon die Geschichte der Missionen
in Afrika, China, Japan u. s. w. viele
unbestreitbare Thatsachen aufweist. »Was
ist«, fragt der Verfasser, »bisher von Seite
der Geistlichkeit geschehen, um den
Leuten an Feiertagen einen passenden Er-
satz für das verderbliche Wirtshausleben
zu bieten? Was, um der Alkoholgefahr
entgegenzuwirken?« Sollte dem Verfasser
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die aufopferungsvolle Hingabe so vieler
katholischer Priester auf diesem Gebiete
gänzlich unbekannt geblieben sein? Hat
er nie von Gesellenvereinen, Jünglings-
vereinen, dem dritten Orden des heiligen
Franciscus und ähnlichen Institutionen ge-
hört? »Wer sagt es denn«, fragt der Ver-
fasser abermals, »dass z. B. den Neger die
christliche Religion glücklicher macht, als
seine eigene und besonders, wenn ihm
gleichzeitig Whisky, Brandy und an-
steckende Krankheiten gebracht werden!«
Whisky, Brandy und ansteckende Krank-
heiten sind meines Wissens nicht das
natürliche Gefolge der christlichen Religion
und es handelt sich nicht darum, ob das
Christenthum den Neger »glücklicher«
macht, sondern moralisch besser und ge-
eigneter, dem Fortschritte zu dienen —
und das thut das Christenthum. Nach
Herrn Wahrendorps Meinung »sollen die
Religionen ihr überirdisches Gewand ab-
streifen und sich auf die Förderung der
rein menschlichen Interessen, der Humanität
und Moralität beschränken.« Diese Be-
schränkung würde aber die Religion über-
haupt aufheben. Die Religion hat die Auf-
gabe, das metaphysische Bedürfnis
des Menschen zu befriedigen, und das thut
sie in allen Ländern gemäss der grösseren
oder geringeren Erkenntnis der Bevöl-
kerung. Sie ist infolge dessen nicht bloss
eine unbedingte Wohlthat, nicht bloss
nothwendig, sondern sie hat immer den
wahren Fortschritt herbeigeführt. So war
der Muhamedanismus für die Neger in
Afrika offenbar ein Fortschritt, jetzt ist
es das Christenthum. Je höher aber die
Religion, desto schwerer ist es natürlich,
ihr gemäss zu leben. Daher erklärt sich
aus diesem Gegensatz zwischen dem Ideal
und der Wirklichkeit sehr leicht, dass so
viele Unvollkommenheiten, ja Greuelthaten
z. B. im Namen des Christenthums ver-
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