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und tyrannischer ist als der Begriff Gottes,
der alle Formen annimmt, sich allen
Civilisationen, allen Klimaten, allen Be-
dürfnissen der grossen Menschheit, der
Menschen anbequemt, die, der wahren
persönlichen Existenz ermangelnd, nur in
den Armen der äusseren Vorsehung das
Bewusstsein ihrer selbst gewinnen.
Die Beschäftigung mit diesen Fragen
ist ziemlich neu in der Literatur und auf-
richtig gestanden, entstellt und verdirbt
sie sie. Herr Rosny, der sich dessen be-
wusst ist, schreibt ein Vorwort, in dem
er sich entschuldigt, und verschlimmert
vielleicht dadurch noch seinen Fehler;
denn ohne das Vorwort hätten die meisten
Leser die Geschichte, wie sie ist, in ihrer
einfachen dramatischen Schönheit genossen.
Ich will der Literatur nicht das Recht
absprechen, Gedanken, ja selbst Moral
ihren Fictionen beizumengen; ganz im
Gegentheil, aber in diesem Falle darf die
Erzählung selbst nichts zählen, und das
ganze Interesse muss nicht in dem Roman
der Personen, sondern dem Roman der
Ideen concentriert sein. Zwischen der
metaphysischen Literatur und der Literatur
der Leidenschaften gibt es, meiner An-
sicht nach, kein mögliches Compromiss;
man muss zwischen dem idealen und dem
realen Leben wählen, man muss Idealist
oder Realist sein. Da die Handlung und
die Idee sich nach verschiedenen Rich-
tungen entfaltet, kann man sie in einer
Fabel nur auf Kosten der Logik Hand in
Hand gehen lassen. Die Männer der That
haben nur ursprüngliche Gedanken, deren
Einfachheit den Mann lächeln macht,
dessen einzige Überlegenheit darin liegt,
mit der Welt der Ideen vertrauten Um-
gang zu pflegen. Für alles, was nicht
einfache, grobe Handlung war, hatte
Napoleon nicht die Empfindung eines
Unterofficiers, nein, die eines Feldwebels.
Man hat jüngst die Fragmente seiner
Gespräche auf Sanct Helena veröffentlicht;
man veröffentlichte früher ganze Bände;
sie sind von einer wirklich napoleonischen
Kindlichkeit. Nichts ist in dieser Hinsicht
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charakteristischer als seine berühmte
Unterredung mit Goethe; es ist nicht ein
einziges Wort darin, das verdiente, auf-
geschrieben zu werden, wenn es nicht
von Napoleon wäre. Wenn man irgend
eine Periode der Geschichte aufmerksam
betrachten will, wird man in ihr immer
diesen Dualismus der menschlichen Kraft
finden, und dies wird uns dazu verhelfen,
zu verstehen, warum die grossen Epopöen
linkisch und in einem ihrem Ursprunge
entgegengesetzten Sinne enden. Welch’
grössere Ironie zum Beispiel, als dass die
französische Revolution in die Hände
Bonapartes fällt!
Wir haben seit einiger Zeit eine grosse
Zahl von Thatspecialisten, von Meistern
der Energie: fast alle sind blosse Ideologen,
unfähig zu jedweder Arbeit, wenn nicht
zu lesen, zu schreiben und zu sprechen.
Derjenige von ihnen, der politisch thätig
sein wollte, scheiterte darin und wurde
dem geringsten Berufsintriguanten als unter-
geordnet befunden; ein anderer, den die
Jugend nach den Colonien weist, ist ein
reuiger und sesshafter Spötter; sein Ge-
fährte in der Propaganda, der wirklich
reiste, hat wenig Autorität, da er weniger
Beredsamkeit hat. Man spricht nur von
seinen Träumen, seinen Wünschen mit
Freude und Wärme; um kräftig die That
zu predigen, gibt es nichts besseres, als
nie gehandelt zu haben! Peter, der Ein-
siedler, der durch sein Wort die wüthende
Bewegung der Kreuzzüge bestimmte, verlor
seine ganze Energie angesichts der Ver-
wirklichung seines Wortes; das Wunder
dieser Verwandlung versetzte sein Genie
in Schrecken, und er war inmitten der
wirklichen Kräfte, die er durch den blossen
Zauber seiner Geberden und Sätze ent-
fesselt hatte, schwächer denn ein Kind.
Man denke auch an die Überraschung
und den Schrecken des Mönches Bacon,
als er das friedliche Gefäss, wo sein
Wunsch Gold, sein Traum das Glück
gesehen hatte, in sprühenden Garben
emporfliegen sah und wie ein Gewitter
grollen hörte.
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