Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 10, S. 227

Ein Brief Ehe (Schwaiger, HansAsenijeff, Elsa)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 10, S. 227

Text

ASENIJEFF: EHE.

besser als »fein schlecht« ist, und aus
der Zeit sind alle die derben Landleute,
die ich in Öl und Aquarell mitgebracht,
und wo immer eine wehmüthige Rührung
beim Anblick dieser Bildel noch heute
über mich kömmt. Es waren lauter selbst
arme, aber gastfreie und herzensgute
Menschen.

Bei meiner Rückkunft wieder in der
Klemme, entschloss ich mich, um endlich
zu einer Arbeit zu kommen, ganz ins
Gebirg zu ziehen, und zwar lieber unter
wildere, ganz arme Teufel. Zuerst in der
Slovakei fand ich mein liebes gutes Weib,
den einzigen »Treffer« in meinem
dummen Leben
. Von da zogen wir,
da wir nur zwei waren, in die Karpathen
und fanden ganz im Gebirg ein Holz-
haus, verborgen, so wie wir es gebraucht,
und zugleich fand ich denjenigen Mann,
der mir den Glauben an wirkliche
»Noblesse« wieder beibrachte, und

dessen Güte ich es verdanke, dass wir
dort schon durch 10 Jahre Unterkunft
und ich Gelegenheit zu einer immer
innigeren Arbeit gefunden. Der Mann ist
Baron Ernst Loudon, der ausser mir in
aller Stille schon vielen anderen Künst-
lern Gutes gethan. Das Übrige sehen Sie
in der Ausstellung; und dass ich ausser
Lob da noch etwas ernte, glaube ich
nicht, denn ich bin zum »Nichts-haben«
geboren, und es ist auch so gut, vielleicht
würde ich nicht so intensiv arbeiten, wenn
ich nicht müsste.

, 18./3. 1899.

Hochachtungsvollst

Hans Schwaiger .

P. S.: Meine Adresse bitte ich aber, im
Falle der Aufsatz abgedruckt wird, nicht an-
zuführen, da ich sonst wahrscheinlich weiter
gehetzt würde.*

* Um doch etwas zu verrathen, sei hier constatiert, dass Hans Schwaigers Urwald
nächst einem Molkencurort wächst, dessen einziger Culturfactor ein Bezirksgericht ist. Ein
Wallfahrtskirchlein, zu dem die Slovaken, Hornyaken, Goralen pilgern, erhebt sich in der Nähe.
Dort hat auch — erzählt uns die Königinhofer Handschrift — Herr Jaroslaw von Sternberg anno
domini 1241 die Tataren aufs Haupt geschlagen. D. Red.


EHE.
Von ELSA ASENIJEFF (Sophia-Wien).

Die junge Frau sass im Lehnstuhl,
gestützt auf Polster aus färbiger Seide.
Ihre Arme lagen in schönen Linien um
das Haupt.

Der Gemahl stand vor ihr. Der All-
tagsgatte. Das Frohngeschöpf ohne Seele.

Des Weibes Gehirn dachte: Das ist
das Leben! Das ist also die Liebe? —

Draussen war es hässlich. Ein halb-
verdorrter, verstaubter Garten mit Kies-
wegen, aus denen gelb gewordenes, dürres
Gras schaute — — — —

Sie dachte wieder: Das ist’s also, das!

Dann fiel ihr Auge durch das niedere
Fenster auf eine einsame, blühende Iris
in seelenvollem, zartvioletten Kleid. Sie
zitterte in der Sonne, die zu heiss war
und unter dem Regen, der brutal seine
Lüste auf ihren zarten Leib strömte.

Aber sie leuchtete duftend in diese
Armut um sich Verklärung. Solange sie
war, blieb sie die allgütige, gebende
Schönheit — — — —

O Süsseste! O Du bleichviolette Iris!
Schwester! sagte die junge Frau zu ihr.

Meine süsse, kleine Katze! sprach der
Gatte zur Frau. Meine Taube! — Mein
Hühnchen!

Die ganze Menagerie! dachte die Ge-
mahlin.

Dann liess sie ihr Gehirn mit ihrem
Leib allein und flog mit der Seele davon.

Seelen steigen gleich Düften empor,
fliegen zitternd wie tönende Wellen, leuch-
tende Lichtstrahlen — — — —

Ihre Seele kam zur Iris: Schwester!
sagte etwas in ihr. Und sie lächelte.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 10, S. 227, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-01-10_n0227.html)