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treten aus dem paradiesischen Zustand
der »reinen Thorheit« im Augenblicke des
Sündenfalles aus der Frucht der Er-
kenntnis die Scheidung der beiden
Menschhälften eintreten musste: Also
eine Versinnbildlichung des Dualismus
Mann und Weib. Ob das in des Künstlers
Absicht lag? Vielleicht.
Mit Ferdinand Andri ist ein neues
Talent hervorgetreten, an dem man seine
helle Freude haben kann. Die galizischen
Markt- und Bauernbilder sind so aus dem
vollen Leben gegriffen, dass ihre Stim-
mungswerte und ihre Rassenechtheit nicht
nur künstlerische, sondern ethnographische
Bedeutung haben. Sie könnten in einem
Museum für Völkerkunde mit demselben
Rechte wie in einer Gemäldesammlung
hängen.
Im gelben Saal ist ein Bild von Lenz
und eines von Kurzweil, das erste auf
blau, das andere auf gelb eingesetzt. Drei
Maler giengen gleichzeitig mit mir durch
den Saal, so dass ich ihre Bemerkungen
überhören konnte. Das ist manchmal noch
interessanter als Bilder besehen, nament-
lich wenn man die Menschen gar nicht
kennt, die ihr Urtheil und ihre Eindrücke
unbefangen äussern, wie das hier der Fall
war. Mit dem blauen Bilde waren zwei
einverstanden, der dritte nicht. So viel
Blau konnte er nicht vertragen. Bei dem
gelben waren sich alle einig — in der
Ablehnung. So viel Gelb und Grün konnten
sie alle drei nicht »schlucken«! Die »Gäste«
wandten sich ab mit Grausen. Wohl-
gemerkt: es waren selber Maler, keine
Philister oder Bildungspöbel; ganz ehrliche
Künstler. Aber im nächsten Zimmer, vor
der grünen Flusslandschaft von Bernatzik
mit den hellen Wasser- und Luftreflexen,
da standen sie wieder lange in freudiger
Anerkennung und besonders das Leuchten
in den Augen des einen zeigte an, dass
er hier gerade in der Farbenanschauung
etwas gefunden haben musste, was ihm
congenial war. Auch Molls gedeckte
glitzernde Tafel sagte ihm zu. Dann
giengen sie hinaus und ich blieb mit
meinen Gedanken an dieses kleine Erlebnis
allein zurück. Eine seltsame Mischung von
Komik und grübelndem Zweifel erfüllte
mich. Dann plötzlich eine ganz unbändige
Freude — nicht Maler zu sein. Nicht
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etwa aus irgend einem Gefühl des Besser-
wissens. Ganz im Gegentheil. Aber aus
einem Freiheitsdrang und Glücksgefühl
heraus kam es über mich. Denn das blaue,
das gelbe und das grüne Bild hatten mir,
so verschieden sie waren, doch jedes
etwas geoffenbart, eine Verkündigung in
Farbe und Linien, die ganz unbefangen
aufzunehmen dem in bestimmter Richtung
Schaffenden oft mehr Anstrengung kostet,
als dem Nichtschaffenden. Das ist der ein-
zige Trost für den Unfruchtbaren: er darf
sich der Früchte der andern freuen.
Alois Hänisch hat eine Skizze von
Hühnern und Enten — oder sind’s nur
Hühner? — gemalt, die zu den farbigsten
Leckerbissen im rothen Saal gehören, trotz
der Nachbarschaft des grossen Thaulow,
der zwischen zwei feinen Treffern diesmal
eine Niete gebracht hat. Bei Hänisch ist
alles in Leuchtkraft getaucht. Die Farben
schreien auf und durcheinander wie ein
gackerndes Hühner-Ensemble, wenn ein Ei
das Licht der Welt erblickt hat. Das ist
die Suggestionskraft der Farbe. Bitte
das nicht als Wortspiel aufzufassen. Der
ganze Reiz dieses kleinen Bildes liegt eben
darin, durch Farben Sensationen zu wecken,
die in der Erinnerung als Töne und Ge-
räusche schlummern.
Von Orliks Pastellen ist die nebelige
Abendstimmung meinem Auge die feinste.
Auffallend deutlich kann man englische
und niederländische Stücke von einander
auf den ersten Blick unterscheiden an
einem gewissen unaussprechlichen Etwas
im Vortrag des farbigen Stiftes.
Ferdinand Schmutzers prächtige
Originalradierung des Ehrenpräsidenten
Rudolf v. Alt verdiente als Beilage zur
nächsten Luxusausgabe des Ver Sacrum
verwendet zu werden. Jedes Mitglied der
Vereinigung sollte einen Abzug davon
haben.
Hoffmanns Möbel und Wandverklei-
dungen in den verschiedenen Zimmern,
und Mosers Vorhänge und Polsterbezüge
geben vom Besten, was in diesen ausser-
gewöhnlich decorativen Begabungen steckt.
Man betrachte das Büffet aus gebeiztem
Ahorn oder die Wanddecoration »Horten-
sienlaube«; von den Decken und Teppi-
chen den »Forellenreigen«, »Klee« oder
»Vogel Bülow«. Wie frei und sicher ist
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