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blendungen erkannt. Niederländisches, rus-
sisches, auch ostindisches Blut war wohl
darunter gemischt. Van der Stappen, der
Bildhauer, behauptet wenigstens, malay-
ische Züge in der Gesichtsbildung der
Künstlerin zu erkennen. Also slavisch-
friesisch-javanisch. Keine gewöhnliche
Mischung.
Engelhart offenbart die stärkste
Seite und gleichzeitig die Grenzen seines
Talents in der Saalwandverkleidung mit
dem Adam und Eva-Kamin. Entwurf und
Durchbildung sind vortrefflich durch die
Ehrlichkeit der Auffassung, welche in
dem Material denkt, in welchem sie
bildet. Schwere Formen, wuchtig mit
Absicht, unbekümmert um »die Schön-
heit«, aber dafür um so hingebender an
die Natur bis in ihre äussersten Con-
sequenzen. Diese Körper waren da und
so gab sie der Künstler. Modellkörper
sind es. Aber was er an diesen Modellen
irgend Interessantes entdecken konnte,
das holte er auch heraus mit ernster
Liebe. Es gibt eine Schönheit in der
Wahrhaftigkeit. Es gibt auch Künstler,
die es gar nicht nöthig haben, wahrhaftig
zu sein. Wenn diese »wahrhaftig« werden
wollen, sind sie ungeniessbar. Engelhart
aber findet vor der Natur sein Bestes.
Er muss wahr sein, um überhaupt etwas
zu sein. Darum stösst seine Wahrheit
nicht ab; bleibt sie hinter dem Wollen
zurück, so lässt sie den Beschauer kalt;
erreicht sie das Gewollte, so söhnt sie
ihn aus.
Diese nackten Menschenkörper schrecken
manchen zuerst ab, weil sie so gar nicht
mehr sein wollen, als sie sind. Aber so
haben zu allen Zeiten Künstler germa-
nischer Rasse die Menschen gesehen, von
Wolgemut bis Grünewald, von Brügge-
mann bis zum fast vergessenen Hans
Gudewerdt, dem grossen und letzten
Holzbildner der Barocke im holsteinischen
Norden. Auf dessen Adam und Eva-Altar
in der Domkirche zu Kappeln könnte der
Adam ein Zwilling des Engelhart’schen
sein, so muskulös und sehnig ist er, und
streckt auch so seinen Arm nach der Eva
hinüber. Aber ich wette zehn gegen null,
dass Engelhart den Gudewerdt’schen
Adam nicht kennt. Und die Eva? Baldung
Grien hat solche Evas gemacht. Aber
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darum ist diese neue Eva an dem Kamin
doch eigene Arbeit vor der Natur. Der
etwas eingedrückte, unentwickelte Leib
wirkt von vorne gesehen mehr rührend,
mitleiderweckend, als lieblich. Aber man
trete seitwärts, weit nach rechts hinüber,
wo die Stühle stehen. Dort gewinnen
beide Figuren ein andres Gesicht. Das
verlorene Profil der Frau und die Linien
von Hand und Arm, von Kinn und Nacken
sind in hohem Grade fein und anmuthig;
in vollkommener Schönheit die freie
Wellenkurve des Schenkels und der
Wade. Der Schlange Windungen führen
den Blick mit der energischen Kopf-
drehung zu dem gestreckten Arm des
Mannes, der in seiner gedrungenen,
straffen Muskulatur ein Stück Leben an
sich ist — Leben und That und Zukunft.
Wer von diesem rechten Standort die
beiden Körper betrachtet, wird reichlich
entschädigt sein für eine gewiss anfangs
leicht eintretende Enttäuschung und für
die Mühe, die ein ernstes Kunstwerk eben
oft vom Beschauer — der im Geniessen
wesentlich nachschaffen soll — ver-
langt. Wenn ein Kunstwerk bei ein-
gehender Prüfung gewinnt, so liegt sicher
ein edler Kern in ihm; bei diesem Kamin
trifft das zu. In gewerblicher Hinsicht
hat die Arbeit aber auch noch er-
zieherische Qualitäten von hohem
Nutzwert. Holzbehandlung vor allem
kann man an ihr lernen; wie Holz,
Metall und Stein gegeneinander gestimmt
werden können, »stofflich« und in der
Farbe. Ist hier das letzte Wort auch noch
nicht gesprochen, so scheint doch im
Wesentlichen eine Leistung gethan, die
mit zum Ehrlichsten gehört, was die
Ausstellung birgt. Auch der Farben-Ent-
wurf mit den Thieren des Paradieses
in der Füllung über dem Kamin dürfte
bei der Ausführung in Seidenstickerei
noch bedeutend gewinnen. Störend in rein
formaler Beziehung wirken auf mein Em-
pfinden nur die gegen die Füsse umge-
bogenen unteren Metallranken, weil sie
nach beiden Seiten so schwer und »un-
überwindlich« erscheinen, dass sie die
Annäherung der beiden Figuren logisch
ausschliessen. Rechtfertigen liesse sich das
allenfalls mit dem symbolisch angedeu-
teten Gedanken, dass durch das Heraus-
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