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Die Boys of Glasgow. — Man kann jetzt
mit vergnüglichem Groll dem Pöbel nachschauen,
der an den vielfach verstreuten Schotten zö-
gernd vorübergeht und der Wunder nicht
achtet, die lautlos in den Winkeln hängen.
Keinerlei Phrase springt aus den Rahmen,
keinerlei Marktgeberde fasst den Passanten an
den Knöpfen, nicht einmal ein Klimt’sches Pro-
verbium von Schillers Gnaden mahnt, dass
»Vielen gefallen schlimm« sei, weil ja das
Selbstverständliche in seiner Aufdringlichkeit
so läppisch wie unkünstlerisch ist und von
vornehmen Seelen verschwiegen wird.
Das ist es, was die Schotten dem Be-
trachter so theuer macht: ihre königliche Art,
mit Farben, Formen und Funken wie mit
Glasperlen oder Edelsteinen zu spielen, den
Alltag nur dort zu suchen, wo er sich zu einem
malerischen Spiel der Sinne fügt, und auch
den allerletzten Rest des ehrlichen Natur-
berichtes oder des epischen Interesses in einem
Meer von Rubinen, Saphiren, Topasen zu er-
sticken!
Nie sah man Künstler fürstlicher zu Kin-
dern werden! Nie sah man eine Gruppe
schöpferisch Bemühter mit erlauchterem Trotze
den gefahrvollen Pfad betreten, der — nach
dem Empfinden der Besten — der denkbar
künstlerischeste ist, weil er das letzte Quent-
chen unmalerischer Nebenwirkung mit
Kühnheit verwirft. Nie sah man Farben-
künstler leichtfüssiger den Wundern der Farbe
folgen, demüthiger der Farbe dienen!
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Jegliche Form, die nicht unmittelbar aus dem
Pinsel fliesst und ihre geliebte Farbe zeichnerisch
umschnüren könnte, verschmähen sie, weil sie
vom Übel scheint. Farben, Farben, Farben,
bunte, liebe, schöne Farben, häufen sich
da zu Massen, werden von innen her ver-
seelt, von innen her entfacht und glühen,
wachsen, gestalten sich fast ohne Zuthun
des Schöpfers, just wie die Wogen eines
tropischen Golfs im tausendfältigen Glanze
der Abendsonne. Hier ereignet sich das
Merkwürdige, dass Farben, sich selbst
überlassen, zu rhythmischen Gebilden
werden! Der Rausch coloristischer Rhythmen
fügt sich in den Augen des Beschauers
zu harmonischen Formen, nimmt willkürliche
Gestalten an, wird Schlange, Pfauenrad,
Welle, verdichtet sich zu Linien, verflüchtigt
sich zu Floren und zwingt durch sein Fluc-
tuieren zu einer Bewegtheit der Sinne, die
den köstlichsten Schauer bringt. So formen
sich bewegliche Tonmassen, Farbenvisionen,
die oft nur aus leuchtenden Punkten geboren
scheinen, zu phantastischen Landschaften von
übersatter Tönung und glühender Tiefe. Doch
wie »natürlich« wird diese Phantastik, er-
innert man sich der tiefschwarzen Seen und
Wälder, der dunkelblauen Flüsse und Grotten,
der rostbraunen Torfmoore, der sprühenden
Hochgipfel, der zerklüfteten Berghänge und
Höhenzüge, der purpurischen Haidekräuter,
der fahlgrünen Lüfte des schottischen
Hochlandes, die aus den alten Balladen der
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