Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 13, S. 313

Jünglinge Der Theosoph Franz Hartmann (Jacobsen, RosaliaArjuna, Harald van Jostenoode)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 13, S. 313

Text

JOSTENOODE: DER THEOSOPH FRANZ HARTMANN.

Dunkel ein kleines, spärliches Feuer-
chen, ein Flämmchen, das den Wind
bang um Leben zu flehen scheint. Wie
ein flackerndes Irrlichtchen leuchtet es
ihnen. Es ist das Symbol des reinen, un-
befleckten Geistes, an dem nichts Irdi-
sches klebt. Wenn sie es erreichen, würde
es ihnen vielleicht noch den Weg zeigen
können.

Von diesem Feuer heisst es: »Es ist
das Feuer Dessen, das nie Materie war,
Dessen, das keinen Namen trägt, Dessen,
das nie geboren war und nie sterben wird,
Dessen, das nicht leidet und nicht geniesst,

Dessen, das niemand kennt und das sich
selbst nicht kennt.« Bebend vor Erwar-
tung nähern sie sich dem Flämmchen.
Es ist zu spät! Entsetzt weichen sie
zurück. Drei grässliche Alte, die Parzen,
haben sich um das Feuer gelagert und
versperren ihnen den Weg. Zu spät!
Die Erde hat sie befleckt — der Erde
gehören sie!

So endigt dieses tief angelegte und
originelle Werk, in dem die heissen
Leidenschaften des Jünglings brausen und
die Gedanken des künftigen Philosophen
schon mächtig keimen.


DER THEOSOPH FRANZ HARTMANN.
Von HARALD ARJUNA VAN JOSTENOODE (Brüssel).

»Wer keine Energie in sich hat, der
mag in der spiessbürgerlichen Mittel-
mässigkeit ein behagliches Schlaraffen-
leben führen; aber dort, wo die schaffende
Kraft wirkt, da hebt bald der Drang nach
dem Hohen den Menschen empor, bald
zieht ihn die Leidenschaft wieder herab;
da schwingt die Seele wie ein Pendel hin
und her; aber jeder Sieg über das Niedere
gibt ihm einen höheren Halt, und die
nächste Schwingung nach unten ist
weniger tief.«

Diese Worte Hartmanns in den von
ihm soeben veröffentlichten »Denkwürdigen
Erinnerungen« könnte man als Motto seiner
Lebensbeschreibung vorsetzen. Er hat von
frühester Jugend an nach dem Hohen
gestrebt; er war ein geborener Mystiker
und Erforscher von Naturgesetzen. Wenn
seine Schriften bis jetzt noch nicht so
bekannt geworden sind, wie sie es ver-
dienen, so hat dies seinen Grund darin,
dass die heutige Generation wenig meta-
physisch angelegt ist und am Staube
klebt, wie nie zuvor. Und doch glaube
ich, dass Hartmann, der Theosoph
Hartmann, im nächsten Jahrhundert ein
dankbares Publicum finden wird, wenn
vom Philosophen Hartmann kaum mehr
als die Büchertitel bekannt sein werden.
Nur Tolstoj kann sich etwa von den

Lebenden mit ihm messen, was Tiefe
der Anschauung und Kraft des Stiles an-
langt. Es ist eine elementare Wucht in
seiner Schreibart. Wer in seinen Geist
eindringen will, dem seien seine »Denk-
würdigkeiten« (Verlag Friedrich, Leipzig)
empfohlen. Ich wüsste überhaupt keine
interessantere Lectüre für jeden, der nach
Wahrheit verlangt und sich nicht mit
Phrasen und dunklen Räthselsprüchen
abspeisen lassen will. Was Hartmann gibt,
ist selbst erlebt. Selten hat aber ein Sterb-
licher solche Dinge erlebt, innerlich und
äusserlich, wie er. Man glaubt oft ein
Märchen vor sich haben, wenn man seine
Erlebnisse liest. Der Satz, dass die Wahr-
heit oft der beste Roman ist, trifft hier
zu. Und das Unwahrscheinlichste wird
hier oft zur Wirklichkeit. Wenn ich Hart-
mann nicht selbst vor 10 Jahren kennen
gelernt und aus seinem eigenen Munde
eine Reihe der von ihm mitgetheilten
Phänomene gehört hätte, würde ich viel-
leicht manchmal einen Zweifel hegen.
Aber ich halte ihn für einen durchaus
ehrenhaften, der Lüge unfähigen, ernsten
Mann. Welchen Zweck könnte auch ein
Sechzigjähriger haben, die Welt zu narren?

Denen nun, die von diesem merk-
würdigen Manne noch nichts gehört haben,
will ich ihn vorstellen. Er wurde am 22. No-

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 1, Nr. 13, S. 313, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-01-13_n0313.html)