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Auf dem Lande bin ich geboren und
dort bin ich ansässig.* Auf dem Lande
habe ich die ersten Jahre meines Lebens
verbracht und hoffe, dereinst daselbst mein
Grab zu finden. Ich kann nicht ein paar
Schritte in der Strasse einer Stadt thun,
ohne dass Unbehagen und Sehnsucht,
wiederum von dort fortzukommen, mich
erfüllen. Und dann fange ich an zu phanta-
sieren von meinem alten Traume, mir
eine Insel zehn oder fünfzehn Meilen von
der Küste zu kaufen oder auch ein Stück
Länderei im nördlichsten Lappland. Als
ich noch ganz jung an Jahren war, fand
ich sogar, Lappland liege zu nahe, und
ich speculierte auf eine Koralleninsel im
Stillen Ocean oder auf eine Oase in den
Wüsten östlich des Jordan. Nur eine Reihe
von Zufälligkeiten hat es dahin gebracht,
dass ich in Wirklichkeit zur Stunde nicht
weiter als drei Viertelmeilen zur nächsten
Eisenbahnstation und ebensoviele Viertel-
meilen zur nächsten Nachbarschaft habe.
Zeitweilig haben meine Wünsche wieder
eine andere Tracht angenommen. Ich
habe mich als Einsiedler in einem kleinen
Hause einer grossen Stadt geträumt,
welches ich niemals verliess. Die grünen
Fensterrouletten blieben hartnäckig ver-
schlossen, und ein stets mürrischer Pförtner
verscheuchte getreulich einen jeden, der
etwa auf den schlechten Einfall verfiel,
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die Glocke zu ziehen. Dieser Traum hat
mir immer höchlichst gefallen; doch eben
dadurch, dass er so oft Hand in Hand
mit den Landidyllen gieng, hat er mich
auch ein wenig misstrauisch gemacht.
In beiden Fällen war also die Sehnsucht
nach Einsamkeit das Gemeinsame, das
Wesentliche. Wenn ich einmal alt ge-
worden bin und sieben oder zwölf halb-
erwachsene Söhne habe, dann will ich
sie herbeirufen und ihnen folgenden Rath
geben:
— Meine lieben Knaben! Jede Zeit hat
ihre Naivität; die Rousseau’sche Philo-
sophie wurde die des neunzehnten Jahr-
hunderts. Sobald irgend einer unter uns
sich der hochgerichteten Bestrebungen und
ihrer daher auch hochfliegenden Klang-
phrasen überdrüssig und müde fühlt, sucht
er sogleich eine Zeit der Ruhe in der
baufälligen Sommervilla des Rousseauismus.
Ich sage — Ruhe, denn dies ist das
Einzige, was er daselbst findet. Ich selbst
habe so manch guten Tag dort gewohnt
und meine Penaten — mit Vater
Rousseaus Büste in der Mitte — auf-
gestellt. Insbesondere waren es Künstler
und Dichter, welche ein- ums anderemal
Colonien auf dem Lande zu bilden ver-
sucht haben. Viele haben sogar gemeint,
nur »am Herzen der Natur«, die Bauern-
hütten vor Augen, könne die Kunst leben
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