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den ornamentalen Theil in unorganischen
Aufputz. Ein kleiner Minervakopf fügt un-
vermittelt die ärmlichste Allegorie darein.
Die Epoche jener sachlich-historischen
Registraturen, der Kaspar von Zumbusch
entstammt und die ihn gross gemacht,
hat längst schon das Zipperlein bekommen.
Der Sinn für jene Weltgeschichte, die
von Säbeln geschrieben wird, hat seit
Napoleons Tagen auf allen Gebieten der
Kunst tief in die Mitte unseres Jahr-
hunderts hinein gewüthet; den Spuren des
Säbels folgten Pinsel, Gartenschere, Feder
— und als sich romantische Verzückt-
heit zu nüchterner Sachlichkeit verblutete,
und an die Stelle der welken blauen
Blume als Wappenblume der Deutschen
(wenn es auch unschön zu sagen ist)
das Sitzfleisch trat, da gesellte sich der
gepinselten Historie nicht ohne schmerz-
liches Zögern die gemeisselte hinzu. Was
Rauch in Deutschland vollbrachte, nahm
der Westfale Zumbusch in Angriff, als
er nach Überwindung jener decorativen
Neigungen, die ihn heute zum »Modernen«
gemacht hätten, in eherner Architektonik
den Wienern die Heldenzeit ihrer grossen
Kaiserin mit vieler Gelehrsamkeit erstehen
liess. Immer gründlicher überwand er das
Pittoreske, das seinen Beethoven nicht
eben prometheischer macht; immer »zeit-
gemässer« entwickelte er sich zu jener
»monumentalen Ruhe«, die nur in einer
winkelmännisch missverstandenen Antike
zu finden ist, und wurde so als Schöpfer
des völlig »abgeklärten« Radetzky ein
Mitrepräsentant der Species »Künstler-
professor«, die Böcklin selbst in Menzel
nicht eben hoch zu werten weiss. So
schätzbar nun auch der Historiosculptor
einer ganzen Epoche ist, den wir in
Meister Zumbusch verehren, muss
doch der Satz gewagt werden, dass
keinerlei Brücke uns Überlebende mit
seinem Gesammtwerke verknüpft. Vielmehr
hat eine Zeit, in der uns Rodin durch
michelangeleske Blöcke den Athem ver-
schlägt und Constantin Meunier das
ewig Heroische in grosstädtischen Cy-
klopen entdeckt, die keine Herkuleskeule,
nicht Pallasch, nicht Federbüsche brau-
chen, um das Titanische ihrer Macht uns tief
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ins Innerste einzuprägen, —fürwahr, solch
eine Zeit hat uns so Lungen wie Seelen
endgiltig für jeglichen Actenstaub ver-
schlossen. Heut’ weiss uns Schollen- und
Pollenstaub weit mehr und Reineres zu
sagen. Und während uns, da wir nun
einmal bei Meunier sind, die winzigste
Statuette dieses Meisters wie eine Kolossal-
figur schreckt, weil ihr die Intuition eines
gewaltigen Künstlers die ganze Spannkraft
eines aus Einem Punkte heraus quellen-
den Schöpfergeistes in die Glieder gehaucht
und diesen Gliederchen ein heimliches
Wachsthum mit auf den Weg gegeben,
— ist uns das Kolossalbild dieses elf Meter
hohen Feldherrn nur eine forcierte
Nippefigur und sonst fürwahr nichts
weiter.
Lasst sie erst schwarz werden im
Sturm und Hagel, den uns der Schöpfer
aus den Wolken sendet: der liebe
Schöpfer in den Wolken hat immer noch
die gute Kunst gerettet. Lasst sie erst
schwarz werden, dann mag sie in Schatten
schwinden, und Amadeus, der weisse
Heide, wird dreifach leuchtend aus lauen
Nächten tauchen und seine Syrinx zum
Tanze stimmen: Ὤ, τὸν Ἄδωνιν Du
siehst sie zweimal, dreimal, dann schleichst
Du gleichgiltigen Blicks vorbei — wo
also bleibt das Göttliche in ihr? Und
kann ein Kunstwerk gleichgiltig werden?
Nein, jeder Tag, jede Stunde, jeder
Augenblick, das wechselnde Spiel der
Sphären, der Athem der Lüfte entfacht
es zu immer neuem Leben und gibt ihm
die Unsterblichkeit, die es verkünden
muss. Ein Kunstwerk, von Bildnerfaust
ins Herz des Alltags gestellt und mitten
hinein in all die Wirrnisse des Feilschens,
Leidens, muss eine ewige Revolution
sein, wenn es eine ewige Religion sein
will. Denn glaubt es seinen Beruf erfüllt,
wenn es recht drastisch und dauerhaft
an all die Res Gestæ seines Modells
gemahnt und etwa die »heranreifende
Jugend« zur Nachahmung dieser Thaten
spornt, dann ist es von vornherein
für jene grosse Kunst verloren,
die seit Jahrtausenden von Augenblick zu
Augenblick nur ein gedankenloses Fest
der Sinne gewesen. Seit wann haben
Statuen die Pflichten didaktischer Placate?
Thaten, die der Geschichte angehören,
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