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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 14, S. 341

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KUNST.

eines Feldstechers fast nur durch Haar-
und Barttracht, Kleidung, etliches Beiwerk
und pathetische Sockelsprüche unter-
scheiden, haben nachgerade ihre eigene
Feierlichkeit erschlagen. Man sieht sie
in Wien wie in Mistelbach, in Kiautschau
wie in Potsdam. Auf allen Bildern, Ent-
würfen, Modellen aus Erz, Holz, Stein,
Papier und Linnen, die sich seit Jahr-
zehnten durch die Galerien drücken, kann
man den Normaltypus ihrer Geberden, ihrer
Körper- und Gesichtsbildung, ihrer Haltung,
ihrer allegorisch- symbolischen Attribute
verfolgen; dort kann man in heiterer Ruhe
das Cliché der Rasse »Feldherr« oder
»Schlachtenlenker« studieren, die spe-
ciell bei uns, dem Wagemuth einer senilen
Epoche entsprechend, der Wahrheit
zum Trotz, ins Biedermännisch-Bedächtige,
Träge, will sagen: »Abgeklärte« herabge-
mindert wurde. Man kennt Michel Angelo,
kennt Donatello, aber man kennt auch
— sit saltui venia — die professoralen
Titanen, die sich wie weisse Mäuse hinter das
ungriechische, längst überwundene »Gesetz
der plastischen Trägheit« verkriechen, um
dort ihr Minus an Kühnheit zu wattieren.
Und nun betrachte man das Albrecht-
denkmal. Betrachte es zunächst als Theil
des Platzes. Betrachte, wie es in jeder
Stunde den gesammten Platz aufs neue
erschlägt. Das Empire des erzherzoglichen
Palastes, das Barock des kuppeligen Philipp-
hofs, die After-Renaissance der Zinshäuser
und Tilgners Rococo gehen kläglich in
Brüche. Namentlich aber drängen sich
die frischlackierten Flussgötter der unteren
Bastei, desgleichen die Marionetten des
Meixner’sehen Brunnens vor, weil sie die
bronzene Last zu Häupten mit Hochdruck
aus den Nischen treibt. Und nun betrachte
man das Denkmal als isoliertes Schau-
stück, erwäge, wie da die Linien des
menschlichen und thierischen Leibs zu
schalen Curven verfliessen. Da will sich
zunächst das Pferd nicht recht dem Auge
fügen. Die schwer ausladende Wuchtigkeit
des Leibs, der künstlich gewölbte Nacken,
an den der widerstrebende Kopf gewaltsam
straff gestriemt ist, der gabelförmig ge-
krümmte Vorderfuss, der stumpfe Fisch-
blick, der mit den sorgsam ciselierten
Pupillen des Reiters fast schmerzlich con-
trastiert, der winkelig abstehende Schweif,

der die unschön gegebenen Linien der
Weichtheile völlig frei lässt und in seiner
Strählung keinerlei künstlerische Beziehung
aufweist zu der Gurtquaste, dem Feder-
busch, den Stirnhaaren und der Mähne,
die sich doch insgesammt als Träger einer
rhythmisch-correspondierenden Bewegtheit
denken lassen, die allzuvielen Zügel, Schnall-
riemen und Zäume, die den Leib ver-
schnüren und also die Melodie der freien
Linien barbarisch unterbinden — — all
dieses mögen ursächliche Nuancen sein,
die das Gefühl ästhetischen Behagens nicht
aufkommen lassen und vollends vergessen
machen, dass doch die Formen so mancher
Edelhengste die biegsamste Anmuth und
Kraft zu künden wissen. Dass hier der Künstler
sich selbst gezwungen, das irische Leibross
des Feldherrn »naturgetreu« zu recapitu-
lieren, wird wohl das kaum Erfreuliche
des Anblicks nur mässig würzen können.
Die weiche Haltung der Figur, die in den
Rücken des Pferdes zu versinken scheint,
das Rohr der Rechten in steifer Geste von
sich streckt, die Linke in Winkelform
krümmt und mit den Reiterstiefeln den
Bauch des Irländers in eckigem Schluss
umklammert, vermag die Disharmonie des
ganzen Liniengefüges noch weniger zu
mildern. Auch hier wird des Betrachters
Sehnsucht nach schöpferischer Offenbarung
und nachfühlender Emotion wohl kaum
durch die Erkenntnis gestillt werden, dass,
wie es scheint, im Grunde nur eine Pho-
tographie in Stein »zu ewigem Gedächtnis«
geplant war.

Das Architektonische — von Prof. König
entworfen — lässt gleichfalls Vielerlei
zu wünschen. Der graue Granitsockel be-
herrscht in seiner allzu grossen, spiegeln-
den Höhe und weitausgreifenden Gliederung
fast das gesammte Denkmal und scheint
es auf den Kopf zu stellen. Er ist der
Sarkophag des Ganzen und hat auch die
Form einer Todtentruhe für Giganten.
Der elliptische Unterbau weiss mit dem
kantigen Deckelsims das Zwischenwerk
aus Eichenlaub, Mäander, Acanthus,
Voluten und Palmen nur frostig zu be-
grenzen. Zwei zwerghafte Genien, die an
Grösse wohl kaum den dritten Theil jener
Bronzebibel erreichen, die sie flatternd
geleiten, zerstören in ihrer Winzigkeit die
Wahrheit der Composition und wandeln

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 14, S. 341, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-14_n0341.html)