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nicht genug, nur durch Glitzern und Sturm
zu segeln mit solchen Gefährten? Übrigens
haben wir auch ein Ziel: das ferne Kolchis
ist es, wir sollen einen Schatz dort holen;
um meinen Thron zu erlangen, habe ich
es gelobt, und diese haben geschworen,
mir zu helfen, und tausend seltsame Ge-
fahren haben wir schon mit Füssen ge-
treten, und tausende harren unser wohl
noch; nicht ein Tag gieng dahin, an dem
auf Argo nicht gesungen ward. Weisst
Du etwa, wo Kolchis ist, König Phineus?«
Der König sah gerade in seine lächeln-
den Augen, und während er antwortete,
nahm seine Miene einen träumenden, er-
starrenden Ausdruck an. »Kolchis,« sagte
er, »das ist weit, das ist jenseits des
grossen Meeres, wo der Schnee ins Wasser
fällt« — dann mit einem wunderlich
todten Ton, als spräche jemand anderer
in ihm — »ich sehe weit, Jüngling, Du
hast es vielleicht schon vernommen, ich
sehe weiter als bis Kolchis, ich sehe das
Ende Deiner ganzen Fahrt.«
Keine Miene in dem Antlitz des
Jünglings regte sich. »Was verschlägt
das, König,« sagte er, noch immer
lächelnd, »ich sehe nicht, aber ich höre
und fühle mein Herz schlagen und weiss,
dass, was auch kommen mag, es sich
gleich bleibt.«
Bei seinen Worten hatten sich alle
Männer im Saale lauschend vorgeneigt,
und zwei Knaben, die verborgen zwischen
dem übrigen Volke gesessen hatten, er-
hoben sich und giengen schweigend auf
ihn zu. Aber Kalais schüttelte seinen ge-
flügelten Helm und rief über den Tisch:
»Wenn Du nach Kolchis siehst, König
Phineus, so sage, ob es da einen Hafen
gibt, in den man einlaufen kann, und
ob dort das Feuer warm ist wie hier,
und ob Weiber dort tanzen und der
Wind weht?«
Aber der König hörte ihn nicht; wie
von unsichtbarer Kraft gezogen, glitt sein
Blick rings im Kreise, mit demselben er-
starrten Fernesehen; endlich erreichte er
Theseus zu seiner Linken, hielt inne und
senkte sich.
»Auch Du, Theseus,« murmelte er,
»auch Du, der mir herrlicher däucht,
als Einer der Anderen, hinter Dir ist der
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Schatten auch schwarz, ich sehe ihn bei
Deinem Haupte, er wächst über Dich.«
Theseus erhob den Wein zum Munde,
that einen tiefen Zug und setzte die Schale
wieder hin. »Gegen den Schatten leuchtet
der Glanz doppelt klar,« antwortete er,
»blicke zuerst auf das, was ich gethan,
o König! Lausche! Hörst Du nicht, wie
der Schall davon durch die Zeiten fliegt,
wie Gesang über Wind und Wellen?«
Aber der König lauschte seinen Worten
nicht, gerade vor sich hin sah er, durch
das Flackern des Fackelscheins und das
Dunkel, das unter die Balken der Decke
kroch, seine Augen brannten unter den
starken Brauen, seine Stimme war stark
und mächtig.
»Wehe, wehe, die neidischen Götter,
grausam und hart blicken ihre Augen, wie
in Marmor gemeisselt, und der Mund lacht
grimmig, wenn sie unsere Rufe nach Glück
vernehmen. Sie wurden von Missgunst und
Hass verzehrt, das Messer war an der Kehle,
sprühende Arglist und Verwünschungen,
ihr Schlummer qualvolle Unruhe, ihr
Wachen Kampf. Da schuf der Schlaueste
unter ihnen die Menschenkinder, um sie
zu quälen und zu verstümmeln wie junge
Vögel, mit ihnen zu spielen und sie zu
treten und ihr Winseln zu hören. Alle
neigten den Kopf vor und lachten, es
ward Ruhe und Freude rings im Kreise,
und die Macht nahm er, der Schlaueste,
ohne dass man es merkte. Da sitzen sie
nun in ewigem Frieden und Ruhe und
tauschen mit ihren Händen goldene Schalen
mit Nektar und denken nicht, lauschen nur
unserem Jammer mit demselben kalten,
harten Lächeln. In Qual werden wir ge-
boren und unser erster Laut ist ein Schrei,
in tastender Blindheit wachsen wir auf
und quälen einander, die Blindheit nennen
wir Glück. Wenn unser Leben in dem
letzten, schweren Schmerz dahinflieht,
dann geht Hermes mit gesenkter Fackel
und zieht die Seelen der Todten nach sich,
mit dem Saugen der Bewegung und der
bleichen Flamme Lockung, aber nicht
einmal sie erreichen wir mehr, an des
kalten grauen Landes Pforte schwenkt er
die Fackel zur Seite, und wie die ge-
flügelten Wesen der Nacht flattern wir
vorbei, dort hinein. Da schmachten wir
ewig ohne Sonne, schmachten nach dem
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