Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 17, S. 413
»Blaubart und Ariane« (Maeterlinck, Maurice)
Text
ARIANE:
Habt Ihr Leinen?
MELISANDE:
Hier ist mein Tuch.
SÉLYSETTE:
Er erstickt, soll ich ihm den Kopf halten?
MELISANDE:
Warte, ich will Dir helfen
SÉLYSETTE:
Nein, Alladine hilft mir schon
(Alladine hilft ihr wirklich Blaubarts Kopf halten, wobei sie schluchzend einen ver-
stohlenen Kuss auf seine Stirne drückt.)
MELISANDE:
Alladine, was thust Du? Sachte, sachte
SÉLYSETTE:
Oh, seine Stirne brennt
MELISANDE:
Er hat sich den Bart abgeschnitten, er ist nicht mehr so schrecklich
SÉLYSETTE:
Habt Ihr etwas Wasser? Sein Gesicht klebt von Blut und Staub
YGRAINE:
Er athmet nur mit Mühe
ARIANE:
Die Brust ist ihm eingeschnürt Sie haben Stricke genommen, um einen
Stein zu zermalmen Habt Ihr ein Messer?
YGRAINE:
Auf dem Tische lagen zwei Hier ist das grössere (sie gibt Ariane
das Messer.)
DIE AMME
(erschrocken):
Ihr wollt
ARIANE:
Ja.
DIE AMME:
Aber er ist nicht Seht, er blickt Euch an
ARIANE:
Hebt den Strick gut hoch, damit ich ihn nicht verletze
(Sie zerschneidet die Stricke, mit denen Blaubart geknebelt ist, einen nach dem
andern. Da sie an die letzten kommt, die seine Arme auf dem Rücken festhalten,
fällt ihr die Amme in die Hände, um sie zu hindern.)
DIE AMME:
Wartet doch, bis er spricht Wir wissen durchaus nicht
ARIANE:
Habt Ihr ein anderes Messer da? Die Klinge ist gesprungen. Diese Stricke
sind zu hart
Zitiervorschlag
Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 17, S. 413, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-17_n0413.html)