Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 17, S. 414

MAETERLINCK: BLAUBART UND ARIANE.

MELISANDE
(reicht ihr das andre Messer):

Hier ist das andere.

ARIANE:

Danke.

(Sie schneidet die letzten Stricke durch. Tonloses Schweigen, in dem man die Herzen
pochen hört. Als Blaubart sich frei fühlt, setzt er sich langsam aufrecht, streckt
seine eingeschnürten Arme aus, bewegt die Arme, blickt alle Anwesenden aufmerksam
an, ohne zu sprechen, steht dann auf und lehnt sich unbeweglich an die Wand,
seine wunde Hand betrachtend.)

ARIANE
(tritt auf ihn zu):

Lebe wohl! (Sie gibt ihm einen Kuss auf die Stirn. Blaubart macht unwill-
kürlich eine Bewegung, als wollte er sie zurückhalten. Sie macht sich sanft los und
schreitet der Thür zu, von der Amme gefolgt.)

SÉLYSETTE
(stürzt hinter ihr her und hält sie zurück):

Ariane, Ariane, wo gehst Du hin?

ARIANE:

Weit von hier wo man meiner noch harrt. Begleitest Du mich,
Sélysette?

SÉLYSETTE:

Wann kommst Du wieder?

ARIANE:

Ich komme nie wieder.

MELISANDE:

Ariane!

ARIANE:

Begleitest Du mich, Melisande? (Melisande blickt abwechselnd auf Blaubart
und Ariane und antwortet nicht.) Sieh, das Thor ist offen und die Fluren sind
blau Kommst Du nicht, Ygraine? (Ygraine wendet nicht einmal das Haupt.)
Der Mond und die Sterne leuchten auf allen Strassen. Kommst Du, Bellangère?

BELLANGÈRE
(kalt):

Nein!

ARIANE:

Soll ich allein gehen, Alladine? (Bei diesen Worten eilt Alladine auf sie zu,
wirft sich ihr an die Brust und hält sie in krampfhaftem Schluchzen lange und
fiebernd umschlungen.) Bleib’ Du auch, Alladine Lebt wohl, seid glücklich

(Sie geht schnell, von der Amme gefolgt. Die Frauen blicken erst sie, dann Blaubart
an, der langsam den Kopf hebt. Bellangère und Ygraine zucken die Achseln und gehen,
die Thüre zu schliessen. Schweigen. Der Vorhang fällt.)

ENDE.