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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 19, S. 462

Text

LUDWIG DEINHARD: CARL DU PREL.

ihm vertretenen Standpunkt eines Vor-
kämpfers und Philosophen des Occultismus
zu bekritteln und anzugreifen gewagt haben.
Auch gegen die Vivisectoren ist er in
Zeitungsartikeln mit Entschlossenheit und
Muth zu Felde gezogen. Andererseits hat
er aber auch den Fanatikern des Occultismus,
den Spiritisten dogmatischer Richtung, so
manchesmal ihr kritikloses Treiben vor-
gehalten. — Als Agitator, als öffentlicher
Redner ist du Prel nicht aufgetreten. Dies
lag nicht in seinem vornehmen, zurück-
haltenden Wesen. Dagegen hat er 1886
mit einigen Gesinnungsgenossen in München,
seinem ständigen Wohnsitze der letzten
25 Jahre seines irdischen Lebens, eine
psychologische Gesellschaft occulter Rich-
tung begründet, deren eifrigstes Mitglied
er selbst war. Nach dem Vorbilde dieser
Gesellschaft, deren Fortbestand du Prel
so sehr am Herzen lag, und in der die
trefflichsten Anregungen zu geben er
niemals müde wurde, bildeten sich dann
in vielen anderen deutschen Städten ähn-
liche Vereinigungen. Aus ihr giengen auch
jene Männer hervor, die Ende der Acht-
zigerjahre im Deutschen Reich den
ersten Anstoss gaben zur occult-psycho-
logischen Forschung streng exact-wissen-
schaftlicher Richtung.

So wirkte du Prel, obwohl nur mit
wenigen befreundeten Gesinnungsgenossen
im persönlichen Verkehr stehend, durch
seine Schriften nach allen Seiten hin an-
regend und geistig fördernd. Fremden
gegenüber, die den berühmten Philo-
sophen des Occultismus aufsuchten, wo-
möglich in der stillen Hoffnung, bei ihm
eine Geister-Manifestation beobachten zu
können, meist verschlossen und wortkarg,
konnte er im engsten Freundeskreise einen
herrlichen Witz und ein bezauberndes
Erzählertalent entfalten. Wie manche
witzige, den Nagel auf den Kopf treffende
äusserung konnte Der aus seinem Munde
hören, der das Glück genoss, zu seiner
vertrautesten Umgebung zu zählen! »Wer
a bisl was is heutzutag, ist Spiritist«,
sagte er ab und zu in seiner treuherzigen
altbayerischen Weise scherzend. Und
sicher haben alle Die, welche in der
Gegenwart in deutschen Landen über-
haupt einen Einblick besitzen in das
Wesen des Occultismus, ob sie nun sonst
»a bisl was« sind oder nicht, diese Er-
weiterung ihrer Welterkenntnis in der
Hauptsache der Anregung und der Be-
lehrung du Prels zu verdanken und werden
ihm auch dafür über das Grab hinaus
für alle Zeiten dankbar bleiben.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 19, S. 462, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-19_n0462.html)