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nur Zeichner für decorative Zwecke. Seine
Blätter, die nach seinem Tode gesammelt
erschienen — das Buch ist leider schon
vergriffen —, sind vereinzelt im Jellow-
Book und The Savoy, Early Work er-
schienen. Wunderbar rhythmische Linien-
gedichte, die technisch den besten Japanern:
Utamaro, Hiroshige, Hokusaï gleichkommen,
aber im Gegensatz zu diesen, im Gegen-
satz zu Bradley und zu den andern Künst-
lern seiner Zeit sind sie alle erfüllt von
jenem beängstigenden Hauch der Sünde,
den nur das geübte Auge zu empfinden
vermag. Beardsley hat Bücher illustriert,
Placate und rein Ornamentales entworfen,
— und all dies in einer technischen Voll-
endung, die an die zauberische Macht
traumhafter Feen erinnert. Aber er hat
nichts gezeichnet, aus dem nicht der
giftige Hauch der Sünde wehte, obgleich
der Vorwurf seiner Zeichnungen nie etwas
mit den gangbaren Begriffen des Lasters
gemein hat. Er konnte nicht anders.
Mit Vorliebe hat er natürlich das
Weib behandelt, und wenn er ihm den
Mann gegenüberstellt, so ist dieser der
verdummte »pantin«, den alle Decadenz-
perioden aufweisen. Er nimmt das Weib
als Personification der Sünde; aber wie
er diese Sünde erfasst, das ist das Un-
gewöhnliche. Oft scheint es, als hätte ein
vom Teufel besessener Engel diese sünd-
hafte Linienschönheit erdacht, die wahr-
lich nur aus der kranken Phantasie eines
Reinen, dem der physische Genuss
stets viel zu plebejisch war, geboren
werden konnte. Sie sind, als hätte sie
eine wahnsinnige Heilige geschaffen. Dann
aber auch wieder sind seine Weib-
gestalten grauenhaft und gross, gift-
mischenden Medeen oder gar blutsaugenden
Vampyren gleich, die sich nach den
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Leichen der Gräber sehnen, um an ihnen
furchtbare Verstümmelungen vorzunehmen.
Oder auch ähneln sie frühverdorbenen
Kindern, die — traurige Blüten seelischer
Verpestung — neugierig mit dem Laster
spielen, ohne es genossen zu haben. Aber
alle scheinen sie sich nur mit Widerwillen
dem Manne hinzugeben, und höchstens
nur, um ihn zu zerstören, oder auch aus
Lust an der Sittenverletzung, während
sie zum eigenen Genuss nur der Tribadie
fröhnen, in deren letztem Ekel sie sich
wohl fühlen.
Die Laster und die Sünden seines
Weibes, deren ich hier Erwähnung ge-
than, zeigen aber in jeder Form ein
durchaus englisches Gepräge, wie die
Chansons der Guilbert und die Kunst des
Lautrec oder Degas durchaus französisch
sind. Was für den Pariser Zeitgeist die
Guilbert mit ihren Liedern ist, das ist
heute für London die von Beardsley ge-
zeichnete Aristokratin, die wir jetzt in
einer Heilsarmee-Sitzung die Liebe predigen
hören und eine Stunde später, von Whisky
bis zur Sinnlosigkeit berauscht, in einem
»Smoking for ladys« wiederfinden können.
Im schlimmsten Falle aber geht sie, gleich
der Prinzessin Chimay, in derselben Stadt,
in deren aristokratischen Cirkeln sie heute
als Schönheit gefeiert wird, morgen auf
die Varietebretter, um plastische Posen
zu stellen. Warum? Als Stimulans für die
angeborne Langweile ihrer dyspeptischen
Nerven. Solcherart ist der Geist, der aus
Beardsleys traumhaft schönen Märchen so
krankhaft giftig weht, aus Beardsleys
Zeichnungen, die als die letzten grossen
englischen Kunstwerke jener Richtung zu
betrachten sind, deren gesunde Erstlinge
von Constable und seinen naturalistischen
Genossen stammen.
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