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zeichnen, dass auch ihr geschäftlicher Be-
stand erhebliche Vortheile daraus gewinnen
müsste. Die bestehenden Schaubühnen von
besonderem Range hätten sich gewisser-
massen gelegentlich als Festspielhäuser
für bestimmte Städte oder Bezirke anzu-
sehen.
Die steigende wirtschaftliche und cul-
turelle Entwicklung unseres Volkes muss
aber auch einen anderen, grösseren Plan
der Verwirklichung näherbringen. Goethe
erzählt: »Schiller hatte den guten Ge-
danken, ein eigenes Haus für die
Tragödie zu bauen.« Seitdem ist
die Sehnsucht nach einem nationalen
Bühnenfeste im deutschen Volke stets
wach geblieben und ebensowenig vergessen
worden, wie die Hoffnung auf die Wieder-
errichtung des Kaiserreiches. Nun dieser
Traum glorreich verwirklicht ist, sollen
wir da verzagen in der Ausführung eines
Planes, der so innig verflochten ist mit
dem Reichsgedanken, der gewisser-
massen nur dessen vollendeter Ausdruck
in der Kunst ist? Allen deutschen Stämmen
soll ein Mittelpunkt durch die Kunst
geschaffen werden, um den sie sich mit
ihren Fürsten versammeln, an den sie
auch die geistig Erweckten der nicht-
germanischen Völker entbieten. Gilt das
schon von dem Bayreuther Festspiel-
hause, obwohl es nur für einen einzigen
Künstler und überdies nur als vorläufige
Anstalt errichtet wurde, um wie viel mehr
von einem hochragenden Bau mit Zinnen
und Thürmen, zu dessen Einrichtung sich
alle bildenden Künste vereinen, in
welchem sich die tragische Dichtkunst
unter der erhebenden Mitwirkung der
Musik in alten und neuen Werken ent-
faltet, und der, erfüllt von den andäch-
tigen Festgenossen, des deutschen Volkes
Schöpferkraft und Ehre strahlend vor aller
Welt eröffnet!
Es ist uns wohl bewusst, dass dies nicht
von heute auf morgen verwirklicht werden
kann, auch wollen wir hier nicht darauf
eingehen, durch welche Massnahmen
äusserlicher Natur dieses Ziel erreicht
werden könne; das mag besonderen Aus-
führungen oder dem Willen eines Fürsten
vorbehalten bleiben. Jedoch scheint es
uns nicht so ganz unzeitgemäss, wenigstens
die Aufgabe als solche zu entrollen.
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Die Schauburg — diese Bezeichnung
lasst uns aus dem alten Wortschatze
wieder aufnehmen! — soll errichtet werden
an einer Stelle, die an und für sich dem
vaterländischen Sinne theuer ist. Wo wäre
sie eher zu finden als am Rheine, an
welchem durch Sage, Geschichte und
überlieferte Empfindungen ebensowohl als
durch die Landschaft, die Gemüthsart des
Volkes und die Blüte der Cultur der ehr-
würdige Boden bereitet ist? — Wie die
Griechen am Tage des Gottes, wie unsere
Vorfahren am Tage der Heiligen in fest-
lichem Zuge zu den Bänken der Zuschauer
hinaufstiegen, jene erfüllt von dem Dröhnen
der Tuben, den Gesängen der Jungfrauen
und dem weihevollen Schauer des dionysi-
schen Cultus, diese von Glockenklang,
himmlischen Chören und frohen Ver-
heissungen, so müssen auch wir das
Schauspiel zum krönenden Mittelpunkte
eines Festes erheben. So wollen wir
an den vaterländischen Ehrentagen zur
Sommerszeit zum Rhein fahren aus Ost
und West, aus Süd und Nord! Dort, auf
dem Berge, soll die Halle prangen, von
deren Thürmen die Glocken, die Posaunen,
die Kränze und die Wimpel die Gemeinde
laden. Ihrem Kaiser, ihren Fürsten folgen
die Auserwählten aller Stämme.
Sie sehen ein Haus vor sich, das
schon durch seine äusseren Formen ver-
kündet, dass es der Tempel eines Myste-
riums ist, der feierlichen Offenbarung des
guten Lebens, seines Sinnes und
seiner Schönheit. Wir müssen das Haus
an und für sich als ein Zeugnis der
lebendigen Schöpferkraft deutschen
Geistes errichten; hier sollen die Formen
der Baukunst nicht in jenen wälschen,
barocken Prunk ausarten, wie ihn bisher
die meisten Bühnengebäude aufwiesen.
Hier möge sich die freie Schaffenskraft
unserer Baumeister, Maler, Bildhauer,
Schmuckkünstler und Kunsthandwerker
zum unmittelbaren Ausdrucke unseres
heimatlichen Geistes erheben! Nicht ein
»Theater«, eine Burg auf der Höhe mit
einem Kranze von Zinnen und Söllern,
aus dem die Kuppel der Halle aufsteigt:
die Tempel-Burg des heiligen Gral
in festgefügten Quadern und ehernen
Wölbungen!
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