Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 20, S. 486

Die Schaubühne — ein Fest des Lebens Das Gesetz der Wiederkehr und der Krieg (Fuchs, GeorgThomassin, Carl von)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 20, S. 486

Text

THOMASSIN: DAS GESETZ DER WIEDERKEHR UND DER KRIEG.

Geschmückte Wandelhallen, in denen
die Standbilder der grossen Meister und
leuchtende Gemälde Aufstellung finden,
nehmen die Festgenossen auf, bis sodann
brausende Klänge aus dem Innern sie zur
Schau rufen. Die Pforten springen auf,
und unter dem Donner der Orgel zieht
das Volk ein, um seine Plätze einzunehmen
im aufsteigenden Halbkreise oder in den
Lauben, die den Ehrengästen vorbehalten
sind. Hinter diesen glüht der Tag durch
die gemalten Fenster. — Die Orgeltöne
verhallen leis’ ins Ungewisse, Schleier
senken sich über die Glasgemälde, das
Haus erfüllt sich mit geheimnisvollem
Dunkel. So sitzen die Festgenossen end-
lich in zitternder Stille vor dem Vor-
hange voll Ahnungen reinster Beglückung.
Dann möge das Tuch sich theilen und,
begleitet von Geigen und Harfen, der Ge-
sang der drei Erzengel das Spiel beginnen:

Die Sonne tönt nach alter Weise

So errichten wir in den Formen der
Schauburg den unverrückbaren Rahmen,

welchen die Kunst der Schaubühne zu
erfüllen hat. Dieser Rahmen ist nichts
als der sichtbare, künstlerisch gefügte
Ausdruck der Forderungen, die das Leben
in Wahrheit an die Schaubühne richtet.
Zu diesen gehört, wie die feierliche Ein-
leitung, auch der »Exodus«, durch welchen
die Dichtung, nicht in einem besonderen
Chore oder in einer Anrede etwa, sondern
eingegliedert in die End-Handlung, den
Zuschauer zum Leben zurückführt, die
Festgenossen hinausleitet.

Sie kehren heim in der linden Som-
mernacht, hinunter in das Thal, da die
Menschen wohnen, voll freudigen Dankes
für alle Lust und allen Schmerz des
Lebens. Aus den Gärten tönt der Klang
der Becher, die Fiedel, der Takt der
Tanzenden und Jauchzen von den Wein-
bergen hernieder. Über dem leisen Strome
liegt der Mond mit silbernen Düften
zwischen den Hügeln, Kähne gleiten über
die blinkenden Kämme — und also geht
das Fest zu Ende.*

* Ein zweiter Artikel: »Sendschreiben an die deutschen Schauspieler« folgt
im nächsten Hefte dieser Zeitschrift.

DAS GESETZ DER WIEDERKEHR UND DER KRIEG.
Von CH. THOMASSIN (München).

In den letzten Jahren sind bekannt-
lich von einigen Sibyllen Kriegsprophezei-
ungen für die Zukunft gemacht worden.
Vor kurzem ist ein Neuer aufgetreten, der
seine Vorhersagung eines im XX. Jahr-
hundert bevorstehenden Weltkrieges auf
ein von ihm gefundenes Gesetz der
periodischen Wiederkehr
von Krieg
und Frieden nach einer gewissen Anzahl
von Jahren stützt.

Derselbe — Rudolf Mewes — weist
in einer Schrift, betitelt »Die Kriegs- und
Geistesperioden im Völkerleben und Ver-
kündigung des nächsten Weltkrieges«
(Berlin, Max Wieland, 1898) darauf hin,

dass Professor K. W. Zenger in seinem
berühmten Werke »Die Meteorologie der
Sonne und ihres Systems« aus einer sehr
grossen Anzahl von Beobachtungen den
Schluss gezogen hat, dass erstens alle
grossen Erdstürme solaren Ursprungs sind
und dass zweitens elektrische Entladungen
des Sonnenkörpers gegen den interplane-
taren Raum die Bildung von cyklonalen
Bewegungen in demselben veranlassen.
Derselbe Forscher hat auch, wie Mewes
ohnedies feststellt, durch nicht minder
zahlreiches Beobachtungsmaterial den
zahlenmässigen Nachweis geführt, dass
die grossen Erdstürme, Cyklonen, Nord-

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 20, S. 486, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-20_n0486.html)