Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 22, S. 517

Laus Veneris III. (Swinburne, Algernon Charles)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 22, S. 517

Text

SWINBURNE: LAUS VENENIS.

Sie legte Hand auf mich, und festgeschmiegt
An sie, wie an den Leib die Seele liegt,
Hieng ich an ihrem Mund, vom schweren Hauch
Der vielen Wohlgerüche eingewiegt:

Zerriebnem Sandelholz, Gewürz und Wein,
Arabiens Räucherwerk und Spezerein,
Wie sie bei schwarzen Königen in Brauch —
Und so vergass ich alle Furcht und Pein,

Der Lobgesänge ungehörten Schwall
Und die Gebete ohne Widerhall,
Und fühlte, gleich von Feuer, das gering
An einem Ort entfacht, rasch überall

Im weiten Umkreis anwächst und sich mehrt,
Bald Glied um Glied von solcher Glut versehrt,
Wie sie wohl, da ich mich so schwer vergieng,
Einst in der Hölle meinen Leib verzehrt.

Fürwahr, es gibt kein besser Los als dies:
Dass wir gekannt der Liebe Bitternis,
Und dass uns aus der eisigen Region
Der Himmelsräume dann ein Bannstrahl stiess!

Wem ward je grössre Wonne offenbart
Als uns, zu nimmermüder Lust gepaart,
Die wir dem Tod entrissen seinen Lohn
Und tausendfach Erinnerung bewahrt?

Denn, wenn gleich Leib und Seele sich entzweit,
Trennt uns doch keine Macht der Ewigkeit.
Ich halte Dich mit meinen Händen fest
Und thue Deinen Willen allezeit.

Ich siegle mich Dir auf mit ganzer Macht,
Von Menschen und Geschicken unbewacht,
Bis Gott einst über Land und Meer entlässt
Die letzten Donner aus dem Grund der Nacht.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 22, S. 517, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-22_n0517.html)