|
seinem Beruf als Romanschriftsteller,
Novellist und Kritiker in dem modernen
literarischen Paris mit einer Durchschnitts-
Berühmtheit und unter gewöhnlichen Be-
dingungen ohne besonderes Glück oder
Pech lebt.
Das Publicum betrachtet den Fall
dieses Mannes gewöhnlich als eine Sine-
cure. Ich lasse die Poeten bei Seite, denn
die alte Tradition des Bohémien fügt
zu dem Namen Poeten gern den eines
armen, bedürftigen Menschen, und es
steht fest, dass dieser Beruf seinen Mann
nicht ernährt. Übrigens gibt es heute keine
Poeten mehr, die Verse schreiben, ausser,
wenn sie sehr reich sind. Sie sind alle
Journalisten oder Bureaukraten. Dagegen
wird der Beruf des Romanschriftstellers
für sehr einträglich und sehr angenehm
gehalten. Er ist elegant, decorativ, er im-
poniert und hat kleine aristokratische
Allüren. Dieser Beruf verspricht die »gute
Partie«, das rothe Band, die Akademie,
den Verkehr in der besten Gesellschaft,
die Liebescorrespondenzen mit den nach
Originalität dürstenden Damen, die Freuden
der Publicität, das Leben der »Conferenzen«,
Reisen, Einladungen, die Arbeit zu
selbst gewählten Stunden, die Freiheit
des Benehmens; diese Carrière ist ebenso
angenehm wie die des Gesandtschafts-
attachés, eine Carrière, in der die Ehre,
das Geld, die galanten Abenteuer, das
Unvorhergesehene, die Eleganz, die Zer-
streuung das Entgelt für eine ziemlich
geheimnisvolle Arbeit bilden, die das
Publicum sich schlecht erklärt, deren
Resultate es liest und deren geheime
Triebfeder es nicht begreift. Es sagt sich,
der Schriftsteller besitze »eine Gabe«
und sei im Grunde ein recht glücklicher
Kerl, dass er so »begabt« geboren wurde
und nichts weiter nöthig hat, als Papier
zu beschmieren, wenn ihm das so beliebt.
Ich will nicht leugnen, dass die Leser
auch Leiden beim Schriftsteller voraus-
setzen, aber das geschieht stets beim
Poeten, dem traditionell schwindsüchtigen,
zerlumpten, verhungerten und nervösen
Poeten, den Verlaine sein ganzes Leben
lang so vollendet verkörpert hat. Doch
welche Leiden soll man einem Roman-
schreiber beilegen? Die Phantasie hat
hier nichts zu erfinden und erfindet auch
|
nichts. Sie macht sich nicht einmal eine
klare Idee von der Summe von Arbeit,
die der glückliche Romanschriftsteller,
den sie beneidet, für so viele Vortheile
liefert, denn man liest in einigen Stunden
alljährlich einen gelben Band, der lange
Monate gekostet hat, und ist die Lecture
angenehm oder aufregend, so glaubt man
gern, besagter Band wäre spontan ent-
standen. Alles in allem bildet das alles
ein sehr heiteres Bild. Es wäre Unrecht
von mir, wollte ich es schwarz färben;
diese Studie soll nur den Zweck haben,
meinen Collegen und mir selbst unsere
sociale Stellung zurückzugeben.
Prüfen wir zunächst, indem wir den
moralischen von dem materiellen Stand-
punkt der Frage trennen, den letzteren,
und sehen wir zu, worauf sich die socialen
Vortheile des Pariser Schriftstellers be-
schränken.
Man hat über den Verdienst der mo-
dernen Schriftsteller ausgezeichnete Studien
geschrieben, unter denen ich vor allem
an die von Albert Cim erinnern will; sie
enthalten mathematische Wahrheiten und
besagen Folgendes:
Die Vertheilung der literarischen Ein-
künfte ist höchst ungleich, höchst launen-
haft, höchst ungerecht; in keinem Berufe
spielt der Zufall eine so grosse Rolle und
ist die Vertheilung willkürlicher.
Thatsächlich wird die jährlich im
Staate zur Remuneration der literarischen
Arbeit disponible Summe nicht allein stets
im umgekehrten Verhältnis zum Talent,
sondern auch sehr oft im umgekehrten
Verhältnis zu der materiell gelieferten
Arbeit vertheilt.
Über diese Behauptungen würde sich
ein Volkswirtschaftler entsetzen; doch sie
sind authentisch und unbestreitbar.
Betrachten wir die bedeutende dispo-
nible Summe und sehen wir, wohin sie
fliesst; in drei Quellen: den literarischen
Journalismus, das Theater, den Buch-
handel.
Das Theater absorbiert einen be-
deutenden Theil; nun ist es aber klar,
dass der Erfolg der Dauer und Ertrags-
fähigkeit eines Werkes sich nach dem
Vergnügen des Publicums richtet, dass
|