Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 25, S. 601

Hypnotismus und Magnetismus I. (Thomassin, Carl von)

Zum TEI/XML Dokument

Faksimile

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 25, S. 601

Text

THOMASSIN: HYPNOTISMUS UND MAGNETISMUS.

die Pythagoräer in dieser Hinsicht zu
nennen oder ein Apollonius von Tyana.

Ebenso finden wir bei den Römern
zahlreiche »magische« Heilkünstler, wie
Xenokrates, Basilides, Apulejus, Marcellus,
Actius, Alexander Trallianus. Überdies
haben aber auch mehrere römische Kaiser
versucht, die Heilkunst auszuüben. So soll
Hadrian Blinde, Vespasian Lahme und
Blinde durch magnetische Berührung geheilt
haben. Bemerkenswert ist, dass einzelne her-
vorragende Ärzte des Alterthums bereits die
natürliche Heilkraft des Magnetismus ge-
kannt haben. So behauptet z. B. Galenus,
dass ein kranker Körper von einem gesunden
durch Berührung Kraft und Gesundheit
wieder erhalten könne. Was den Somnam-
bulismus bei den Römern anbelangt, so
glaubt Schröter, dass z. B. das Augurium
auf somnambule Momente zurückgeführt
werden könnte. Die Phänomene des ekstati-
schen Hellsehens finden wir besonders
charakteristisch bei den »Sibyllen«.

Die Juden scheinen, wie Schröter
behauptet, gewisse Ausdrucksweisen, die
auf die magnetische Manipulation hin-
deuten, von den Egyptern ererbt zu
haben.

Im alten Testamente, so schreibt er,
findet man mit Vorliebe Bezeichnungen,
die auf die »Berührung mit der Hand
des Herrn
« hinweisen; ja, die göttliche
Ekstase, der Somnambulismus, das Wahr-
sagen wird stets darauf zurückgeführt,
dass »Gott die Hand auflegte«. Im neuen
Testamente findet man diese Bezeichnung
nicht mehr oder wenigstens sehr selten.
Gott ist allgegenwärtig und bedarf der
persönlichen Erscheinung nicht mehr, da
der Heiland ihn auf Erden verkörpert.

Schröter weist dann noch auf ver-
schiedene Stellen im alten und neuen
Testamente hin und bemerkt diesbezüglich:

»Die letztgenannten Stellen weisen auf
eine neue Erscheinung hin; es wird dort
gesprochen von der Thätigkeit der »Finger«.
Diese Redeweise haben die Juden jedenfalls
auch dem egyptischen Recept entnommen,
denn die Egypter manipulierten hauptsäch-
lich mit den »Fingern«, und zwar mit den
drei ersten Fingern, d. h. Daumen, Zeige-
und Mittelfinger.

Wie Schröter ferner klarzulegen sucht,
begegnet man dem eigentlich systemati-

schen magnetischen Verfahren, wenn auch
anfänglich dem künstlichen, bei Moses.
Er beginnt, so sagt der Autor, mit
Weissagungen, indem er sich mit anderen
Personen magnetisch verbindet, d. h. in
Rapport setzt; er gibt geweihtes (Schröter
meint wahrscheinlich »magnetisiertes«)
Wasser, Wein, Öl und Blut. Er beginnt
Verbote gegen falsche Zauberer, Wahr-
sager, Teufelsbeschwörer u. s. w. zu er-
lassen, er nimmt die Ekstase und den
göttlichen Somnambulismus für sich und
sein Volk in Anspruch; er beginnt my-
stische Thaten, jedoch mit »Apparaten«,
wie mit dem den Berg schlagenden Stock,
zu vollziehen; er geht dann schliesslich
über zum Handauflegen. Im hellsehenden
Zustande verkehrt er mit Gott und weis-
sagt Schröter erörtert noch weiterhin
eingehend die Berichte über »Magnetismus
und Prophetengabe« im alten Testamente.
Er findet z. B., dass die Fähigkeiten
Bileams (4. Moses, 22, 23 und 24) »nicht
weit hinter denen des Moses zurückstehen,
da er so hellsehend ist, dass er die An-
kunft Jesu schon vorhersagt« und »mag-
netischen Somnambulismus ausübt«. In
Samuel erkennt der Autor einen »Ekstatiker
von hervorragender Bedeutung«, der die
magnetischen und somnambulen Erschei-
nungen genau kannte. David war seiner
Meinung nach »jedenfalls ein Kenner der
magnetischen Wirkungen, denn als er alt
und siech war, musste bei ihm eine Jung-
frau schlafen, um seinen dem Tode ver-
fallenen Körper durch frische Ausstrahlung
zu kräftigen«, was »damals ein allgemein
verbreitetes und bekanntes Verfahren war,
zu dem auch die griechischen Ärzte, wie
Hippokrates und Galenos riethen«. Elias war
nach Schröters Ansicht im alten Bunde
der hervorragendste Vertreter des Magnetis-
mus. »Er erweckte aus dem höchsten Zu-
stande des Starrkrampfes Patienten, die
schon als scheintodt oder gar als todt
galten (z. B. 1. Könige 17, 17—24, die
Erweckung des Knaben). Ebenso inter-
essant ist die Erweckung des Sohnes der
Sunamitin durch Elisa, den Schüler und
Nachfolger des Elias (2. Könige 4, 18—37).
Bei beiden Fällen, sowohl dem des Elias
als dem des Elisa, legte sich der Prophet
über den Knaben; es fand eine eigen-
thümliche Manipulation statt, indem dem

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 25, S. 601, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-25_n0601.html)