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In Salzburg war ein Kellner im Café
B., welcher mich ehemals in Wien liebens-
würdig und zurückhaltend bedient hatte.
Er war liebenswürdig und zurückhaltend
geblieben, aufmerksam und kalt. Alle Be-
diensteten sind unsere Feinde oder ducken
sich wie gebändigte Thiere. Dieser aber
war gleichsam aufrecht geblieben, hatte
Gutes gespendet, Gutes eingeheimst!
In Salzburg gibt es eine wirkliche
Vollkommenheit: »Würthle und Sohn«!
In dem englisch eingerichteten Laden
gegenüber dem Café Bazar erlebt man
das »Salzkammergut im Extracte«. Be-
sonders eine Platinotypie »Großglockner«
ist wunderbar: greller Schnee und schwarzer
Stein. Weiß und Schwarz und Einsamkeit.
Ich träumte mir einen Rahmen dazu aus
dicht gemasertem Eschenholze, riesig breit
und matt, wie eine flachgedrückte Esche
selbst. Darunter hätte ich geschrieben:
»Gipfel! Auf Gipfeln sollst du
wandern, an Abgründen, bereit
zu zerschellen, bereit!«
Die Platinotypie kostete neun Gulden,
hélas.
»Bitte,« sagte die Dame, »nehmen Sie
eine Photographie; es ist ganz dasselbe.«
Aber die Photographie hätte ich
nicht umsonst genommen, obzwar es die-
selbe Aufnahme war. Es wäre mir nichts,
nichts gewesen, hätte zerstört, verwischt,
armselig gemacht! Bannet die Unzu-
länglichkeiten!! Die Platinotypie aber
nahm ich in meinen Träumen mit und
den breiten Rahmen aus gemasertem
Eschenholze und meine schöne Unter-
schrift von den Gipfeln! Ich liebe »Würthle
und Sohn«. Sie fangen die Natur ein wie
edle Schmetterlingsammler, zart, vorsichtig,
halten sie in ihrem Duft und Glänze!
Selbst auf ihren Ansichtskarten sind die
Berge im Hintergrunde milchig-bläulich
und fast nicht mehr da vor Sonnenlicht!
Sie concurrieren mit dem Landschafts-
maler, sie besiegen ihn, Würthle und Sohn!
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Zell am See.
Zell am See ist eine Wurzen. Man
kommt nur hin, um dann schönere Orte
aufzusuchen. Der Ort scheint das zu fühlen.
Niemanden drückt er an sein Herz, ist
verschlossen, traurig. »Ihr kommt zu mir,
um zum Kesselfall zu reisen, nach Ferleiten.
Gehet, gehet!«
Im Lese-Saale des See-Hotels bemerkte
ich eine blonde Dame. Es war wirklich
»die blonde Dame« ohneweiters. Sie trug
ein steingrünes, glattes seidenes Kleid und
hatte um den Hals ein breites, schwarzes
seidenes Band geschlungen. Und ganz
blond war sie.
Mehrere vornehme Engländerinnen
trieben direct einen Cultus mit ihr, setzten
sich ganz zu ihr, ohne sie persönlich zu
kennen, gaben ihr bewundernde und er-
staunte Blicke, sprachen leise von ihr,
entfernten sich zögernd, traurig, sehn-
süchtig. Es liegt eine ungeheure Schön-
heit und Menschlichkeit und innere
Aristokratie in einem solchen Benehmen.
Wie wenn die Seele ihren eigenen Knecht-
schaften und Bedrückungen sich ent-
zöge und ihre wahren Gefilde beträte!
Alle diese englischen Damen ließen
gleichsam ihr schönheitsbedürftiges Herz
aufleben, ließen es sich enthusiasmieren,
Grenzen überschreiten, nahten der »blonden
Dame«, entfernten sich zögernd, traurig,
sehnsüchtig.
Gmunden.
In Gmunden sah ich abends auf der
Esplanade ein wunderbares Mäderl, welches
erwachsenen Mädchen Sechsschritt vor-
tanzte. Dann setzte sie sich und theilte
ein selbstverfasstes Blumenmärchen mit.
Dann kam ein Herr vorüber und schenkte
dem herrlichen Kinde ein silbernes Kuh-
glöckchen, weil er abreiste. Das Mäderl
nahm es nicht an und die erwachsenen
Mädchen wurden verlegen. Der junge
Mann aber gieng still fort mit seinem
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