|
Ich glaube, meine Behauptung bezüg-
lich Englands bewiesen zu haben. Es
würde mir nicht schwer fallen, denselben
Process in Belgien, Deutschland, Österreich,
Frankreich, Holland nachzuweisen, wo
überall die Kunsthandwerker und Künstler
den Architekten vorangegangen sind.
Der sich einst berufen fühlen sollte,
eine Geschichte der gegenwärtigen
Renaissance der schmückenden Künste zu
schreiben, könnte nicht jene Gruppe
belgischer Künstler umgehen, die dieser
Wiedergeburt ihren besonderen Typus ver-
leihen. Der »belgische Stil«, das ist
eine bereits gangbare, wenn auch nicht
endgiltige Bezeichnung. Die Zukunft wird
das entscheiden, und es kommt wenig
darauf an, ob diese Bezeichnung in Bezug
auf Ursprung und Herkunft haltbar ist.
Wenn dieser Schriftsteller bis zu dem
wahren Quell zurückgehen wollte, so müsste
er die Kataloge zu den berühmten Aus-
stellungen der »XX« in Brüssel, wie auch
zu den spärlicheren, aber nicht minder
bekannten des Kunstvereins zu Antwerpen
aufschlagen. Dort wird er auch manches
über die Versuche des A. W. Finch und
des Lemmen finden, die von 1893 an da-
tieren, und auch einiges über eine ornamen-
tale Stickerei, die ich eigenhändig aus-
geführt und daselbst ausgestellt habe.
Finch und Lemmen gaben in dem
beschreibenden Kataloge in nicht misszu-
verstehender Weise der Absicht Ausdruck,
die Staffelmalerei aufzugeben.
Die Stellung, die sich der eine in der
Töpferei, der andere in der Buch-Aus-
schmückungskunst erobert hat, weist auf die
Anhängerschaft hin, die sie beide mit ihren
Ideen gefunden haben, und auf die Energie,
deren es bedurfte, um in einem Lande
Erfolge zu erzielen, das so wenig Neigung
zu haben scheint, zu Neuerungen sich
aufzuraffen.
Wenn ich mir vorgenommen hätte,
diesen historischen Rückblick zu schreiben,
könnte ich den Antheil eines jeden von
uns in diesem harten Kampfe um einen
neuen Stil nachweisen. Aber hier handelt
es sich nur darum, festzuhalten, dass in
diesem Zeitpunkte — abgesehen von dem
Nachweis, dass die Architekten sich aus-
schließlich dem Möbel widmeten, deren An-
passung an unsere Zeit sie nicht beachteten
|
— keiner von ihnen seine geliebten
Studien der Reconstruction der Vergangen-
heit aufgegeben hatte.
Wir dagegen hatten bereits unser or-
namentales Ideal ausgesprochen in Werken,
die wirkliche Ausgangspunkte sind, und
in aufgeschriebenen Conferenzen, welche
von jenen bereits — wohl auch mit Ab-
sicht — vergessen zu sein scheinen, die
sie seinerzeit ins Leben gerufen.
Es ist offenkundig, dass die Architekten
Hankar, Horta und andere, die sich heute
in Belgien vorzudrängen suchen, erst nach-
gekommen und jener Gruppe von Kunst-
handwerkern gefolgt sind, die sich von
der Malerei losgesagt, und deren Arbeiten
jährlich in den Ausstellungen zutage traten.
In Frankreich mussten die Dela-
herche, Bigot, Delpayrat, Charpentier
(siehe Katalog der XX, 1892—93), die
Carabin u. a. mehrere Jahre lang kämpfen,
ehe es den Architekten Plumet und Guimard
möglich wurde, Häuser zu errichten, die
in Paris von der Geburt eines neuen
Stils Kunde gaben.
In Deutschland harrt man noch
immer des Architekten, der in Berlin —
losgelöst durch die Vorarbeiten eines
Eckmann, Riemerschmidt, Köpping, Behrens
— eine klare Offenbarung der Moderne
geben könnte mit weniger traditionellen
Zügen der Ornamentation, als der Bazar
Wertheimer des Professors Messel, und
mit weniger Zusammenhangslosigkeit, als
die kühne Phantasie eines Endel in
München.
Und ist in Österreich der Fall nicht
ganz identisch?
In Holland kündigten Collembrander,
Dysselhoff, Thorn-Prikker die Renaissance
an, lange bevor uns der Architekt Berlage
die daran anknüpfenden Studien seiner
neuen holländischen Architektur heraus-
gegeben.
In Skandinavien — Munthe!
Und in Amerika? Messen wir doch
den Abstand, der Tiffany von den Archi-
tekten seiner Zeit trennt. Sie haben ihre
Gedanken in einem »Roman« zusammen-
getragen, der so schwerfällig ist, dass man
sich wundert, wie er über den Ocean
kommen konnte.
Es scheint jetzt in der That genugsam
erwiesen, dass die malenden und bildenden
|