Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 26, S. 615

Welche Rolle spielt der Architekt in der Entwicklung eines zeitgemäßen Stils Hypnotismus und Magnetismus II. (Van de Velde, HenryThomassin, Carl von)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 26, S. 615

Text

THOMASSIN: HYPNOTISMUS UND MAGNETISMUS.

Künstler die ersten waren, die einen Begriff
von jener Renaissance der Form und des
Ornaments hatten, in der die Architektur
in der Folge die Quelle finden wird für
ihre wahre Erneuerung.

Die Regel, welche behauptet, dass die
Theile rascher als das Ganze einer Ver-
änderung unterworfen sind, und die andere
Regel, welche besagt, dass sich ein Ding
umso leichter verändert, je weniger schwer
es ist, — diese Regel gilt für alles. Man
denke an die Veränderlichkeit unserer Ge-
danken, unseres Schmuckes, unserer Kleider.

Die architektonische Wiedergeburt hat
sich also zuerst in Werken versucht, die
zwar einen integrierenden Theil der Archi-
tektur bilden, aber von einer geringeren ma-
teriellen und ökonomischen Bedeutung sind.

Der Horizont der Architekten ist eben
leider durch hohe Gebäude, durch schwer-
fällige Gewohnheiten begrenzt, und schon
daraus erklärt es sich, dass wir, die wir nur
eine Staffelei oder einen Stuhl vor uns haben,
nicht so eingeengt sind und uns nur zu
erheben brauchen, um noch unbekannte
Formen im Räume zu entdecken und zu
der Erkenntnis zu gelangen, dass die Formen,

die einst die Freude unserer Altvordern
gewesen, zwar ihrem Geiste völlig an-
gepasst waren, aber uns nicht mehr be-
friedigen können, vielmehr jene allseitige
Harmonie zerstören, die wir doch zwischen
dem, was unsere Augen sehen, und dem,
was unser Hirn schafft, gern begründet
wissen möchten.

Im übrigen darf man nicht die ver-
hängnisvolle Seite der Thatsache übersehen,
dass der Architekt an die zweite Stelle
rückt. Der Ingenieur ist berufen, ihn zu
enttrohnen und die Führung der Arbeiten
zu übernehmen, die bisher vom Archi-
tekten geleistet wurden. Schon ist er nicht
mehr betheiligt an monumentalen Werken
à la Eiffelthurm, Firth of Farth-Brücke etc;
und wie wenig Antheil hat er an anderen
Denkmälern und Eisen-Constructionen, wo
seine Wissenschaft an die des Ingenieurs
anknüpfen muss! Der Ingenieur entscheidet
in letzter Instanz, wie er sich auch beim
ersten Entwurf vordrängt. Man erkennt
deutlich, was Architekten bei diesen Denk-
mälern hätten leisten können — und man
beklagt es.

HYPNOTISMUS UND MAGNETISMUS.
Von CARL VON THOMASSIN (München).
II.
HYPNOTISMUS UND MAGNETISMUS IM MITTELALTER UND IN DER
NEUZEIT BIS ZUM AUFTRETEN MESMERS.

Die Verzerrung der Christlichen Mystik
führte bald zu den furchtbaren Ausge-
burten des Hexenwesens, bei dem der
Hypnotismus und Suggestionismus, die
Epilepsie, Anästhesie, Analgesie, psychi-
sche Hyperästhesie, hallucinatorische Per-
version des Vorstellungslebens durch Auto-
Suggestion und Fremd-Suggestion nach-
weislich eine große Rolle gespielt haben.

Vergebens suchten zahlreiche hervor-
ragende Theologen und Gelehrte, unter
anderen auch Occultisten, wie Paracelsus

und Van Helmont, gegen die Hexenrichter
aufzutreten. Sie liefen oftmals selbst Ge-
fahr, als Hexenmeister und Zauberer ver-
urtheilt zu werden.

Überhaupt richtete man diese Anklage
der Zauberei gerne gegen diejenigen,
welche sich mit den sogenannten Geheim-
wissenschaften, mit der Praxis der Kab-
balah and den mystischen Traditionen des
Orients beschäftigten, obschon sie sonst
im Rufe großer Frömmigkeit standen.
Unter ihren Hexereien waren aber auch

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 26, S. 615, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-26_n0615.html)