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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 26, S. 616

Text

THOMASSIN: HYPNOTISMUS UND MAGNETISMUS.

manche magnetische und hypnotische
Experimente, wie aus ihren Schriften
ersichtlich ist.

Zu diesen Mystikern, welche den
Hypnotismus und Magnetismus im Mittel-
alter fortpflanzten, gehörten unter anderen
der »Doctor universalis« Albertus Magnus
(1193—1280), Roger Bacon (1214—1294),
Arnold von Villanova (1240—1312), Ray-
mundus Lullus (1235—1315), Johannes
Tritheim, der Lehrer des Paracelsus
(1462—1516), und dessen Freund Johannes
Reuchlin (1455—1500). Der berühmte
Agrippa von Nettesheim (1486—1535)
hat uns mit seinem Werke »De occulta
Philosophia« einen Beweis von dem um-
fassenden Wissen der damaligen Occul-
tisten geliefert. Er hat, wie Schmidkunz
richtig bemerkt, zuerst den Begriff einer
transcendentalen Psychologie deutlich dar-
gestellt und die Gedankenübertragung,
die hypnotische Suggestion und Fasci-
nation, sowie den thierischen Magnetismus
und Somnambulismus genau erörtert.

Eine der bedeutendsten Gestalten der
Geschichte des Hypnotismus und Magne-
tismus ist sein Zeitgenosse Philippus
Aureolus Theophrastus Bombastus Para-
celsus von Hohenheim.

Er behandelt eingehend den »telluri-
schen« und »siderischen« Magnetismus
und suchte die magnetischen Wechsel-
wirkungen klarzulegen. Auch verwendete
er den Magneten zu therapeutischen
Zwecken. Mit Recht kann er auch als
Vorläufer der modernen Psycho-Therapie
genannt werden. Er hat bereits die Be-
hauptung aufgestellt, dass der Glaube
noch einmal so viel als der Leib ver-
möge.

Auch in Giordano Brunos (1550 bis
1600) Werken finden sich viele Stellen,
aus denen hervorgeht, dass er an Magne-
tismus, Somnambulismus und Suggestionis-
mus glaubte. *

Der neapolitanische Gelehrte Johannes
Baptista Porta (Giambattista della Porta,
1538—1615) behandelte in seinen Werken
auf Grund eigener Experimente Hypnotis-
mus, Suggestionismus und Magnetismus.
Er gibt bereits verschiedene »Hypnotica«
(Mittel zur Herbeiführung der Hypnose)

an und weist auf verschiedene Suggestions-
kunststücke hin, die bei modernen Sug-
gestionisten beliebt sind. Unter anderem
spricht er auch von der suggestiven Ver-
wandlung der Persönlichkeit. Johannes
Baptista von Helmont (1577—1644)
suchte die magnetischen Traditionen syste-
matisch klarzulegen. In seiner Schrift »De
magnetica vulnerum curatione« sagt er
unter anderem in Erwiderung auf die An-
griffe gegen den Magnetismus: »Der
Magnetismus, der jetzt allgemein benützt
wird, enthält außer dem Namen nichts
Neues, nichts Widersprechendes, oder
höchstens für solche Personen, die alles
verhöhnen und dem Satan zuschreiben,
was sie nicht begreifen.« Über die allge-
meine magnetische Kraft lehrte er:

»Das Magnale magnum ist keine
körperliche Substanz, sondern ein ätheri-
scher Geist, der rein und lebendig alle
Dinge durchdringt und die Masse des
Weltalls bewegt.«

Den Erfolg der magnetischen Experi-
mente führt er auf Sympathie, das
Misslingen auf Antipathie zurück. Über
die Möglichkeit der suggestiven Beein-
flussung durch den Willen schreibt er
Folgendes:

»Der Wille ist die höchste Kraft. Gott
ist der Wille. Die Welt und alles Erschaffene
ist das Resultat des Willens Gottes. Im
Menschen ist durch seine göttliche Ab-
stammung ein Funke dieses Willens vor-
handen, der ihn leitet. Je stärker der Wille
und je schwächer derjenige ist, den der
Wille treffen soll, desto kräftiger ist die
magnetische Einwirkung und desto nach-
haltiger der Rapport zwischen beiden.«

Zur Veranschaulichung der Willenswirkung
verweist er auch darauf, dass man ein
Thier durch beständiges Anstarren — oculis
intentis — in Kürze tödten könne. Be-
merkenswert, auch für moderne Ärzte,
sind die Sätze, die er in seinem Werke
»Tumulus pestis« über den Beruf des
Arztes schreibt. »Der von Gott erwählte
Arzt wird,« so sagt er, »besondere Zeichen
und Wunder für die Schüler empfangen.
Er wird Gott die Ehre lassen, indem er
seine Gaben zur Linderung der Leiden
seines Nächsten austheilt; Mitleiden wird

* (Vgl. Kuhlenbecks »Lichtstrahlen« aus Giordano Brunos Werken. Leipzig. 1891).

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 26, S. 616, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-26_n0616.html)