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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 26, S. 617

Text

THOMASSIN: HYPNOTISMUS UND MAGNETISMUS.

sein Führer, sein Herz wird Wahrheit
und seine Wissenschaft Verstand sein.
Die Liebe wird seine Schwester sein, und
des Herrn Wahrheit wird seine Wege er-
leuchten. Er wird die Gnade Gottes an-
rufen, und Gewinnsucht wird ihn nicht
beherrschen, denn der Herr ist reich und
freigebig und zahlt hundertfältig in ge-
häuftem Maße.«

Jakob Böhme (1575—1624) durfte be-
sonders als Auto-Somnambuler in der Ge-
schichte des Hypnotismus zu nennen sein.
Diese Wunderheilungen erklärt er als einen
Ausfluss der Gabe des heiligen Geistes und
jedem möglich, der durch den Glauben
an Gott und die Liebe zum Nächsten
heilen will.*

Francis Bacon von Verulam (1561—
1626), der berühmte Philosoph, äußert
in ähnlicher Weise wie die anderen
Occultisten seinen Glauben an eine all-
durchdringende, allbelebende und regene-
rierende Kraft und tritt für die magnetischen
Heilungen ein.

Der angebliche Rosenkreuzer Robert
Fludd (Robertus de Fluctibus, 1574—1637)
trat sehr energisch für die Sache des
Magnetismus ein und hatte diesbezüglich
viele Controversen auszufechten. Auch der
gelehrte Historiograph Daniel Heinsius
(1580—1655) gehörte zu den Vertheidigern
des Magnetismus. Der berühmte Campa-
nella (Giovanni Domenico, 1568—1639)
spricht wiederholt in seinen Werken von
den »magischen Künsten« des Magnetismus,
Hypnotismus und Suggestionismus, durch
die man andere heilen und beeinflussen
kann, ja sogar derart, dass »man sie
Dinge sehen lassen kann, die gar nicht
sind«.

Im XVII. Jahrhundert begegnen wir
einem bedeutenden Forscher auf hyp-

notischem und suggestionistischem Gebiete
in der Gestalt des gelehrten Jesuitenpaters
Athanasius Kircher (1601—1680). Er de-
finiert den Magnetismus folgendermaßen:

»Magnetismus wird er deswegen genannt,
weil alle wunderbaren Wirkungen der
Natur meist in den Strahlungen des
Magneten sichtbar, daher diese Wirkungen
nur nach der Ähnlichkeit so genannt
werden; d.h. der Inbegriff der Wirkungs-
äußerungen und Beschaffenheit der Kräfte,
welche durch wechselseitige Strahlung auf
einander einfließen, wird Magnetismus
genannt.«

Da er alles als magnetisch erklärt,
die Weltkörper wie die Menschen und
Thiere, Pflanzen und Metalle, ist, wie
Schröter richtig sagt, der Tellurismus,
Siderismus und Lebens-Magnetismus bei
ihm eins, nur durch verschiedene Körper
verschieden in Ursache und Wirkung.
Bemerkenswert ist, dass Kircher überdies
auch alle Seelen-Empfindungen durch den
Magnetismus zu erklären, Liebe, Freund-
schaft und Hass auf sympathische An-
ziehung und antipathische Abstossung zu-
rückzuführen suchte. In seinen Schriften
hat er sehr viel Material, besonders auch
über Hypnotica und suggestionistische
Experimente, aus den Schriften der mysti-
schen Philosophen und namentlich auch
aus der Schule der Avicenna gesammelt.
Sein Name wird sehr häufig auch in
Verbindung mit dem von ihm erwähnten
»Experimentum mirabile« genannt, das
darin besteht, ein Thier durch rasch vor
seinen Augen geführte Striche zu hypno-
tisieren. Der berühmte Arzt Friedrich
Hoffmann (1660—1742) ist wegen seiner
Studien über den Nervenäther in der
Geschichte des Magnetismus erwähnens-
wert. Er betrachtete den menschlichen

* Über die Wunderheilungen fällt Schröter im Gegensatze zu den Ansichten moderner
Materialisten folgendes Urtheil: »Die Heiligen der katholischen Kirche beider Richtungen
besitzen sämmtlich die Befähigung zu heilen. Mag nun auch der fromme Glaube mitgewirkt
haben, mögen die Sinne sich gefesselt haben, die thatsächlichen Erfolge der magnetischen
Heilweise sind unleugbar so wenig zu bezweifeln, wie die Heilungen der römischen Kaiser,
der egytischen Priester und der christlichen Könige. Bei allen diesen Vertretern wirkt wohl
der Nimbus mit, von Auserwählten oder hohen Personen behandelt zu werden, aber die Erfolge,
wie schon gesagt, müssen bestanden haben, sonst würde sich ein Märchen nicht erhalten haben«.

Bezüglich der Heilungen der christlichen Könige müssten wir hier noch erwähnen, dass
sowohl den Königen von Frankreich, wie denen von England und eine Zeitlang auch denen
von Ungarn die Fähigkeit, gewisse Übel durch Handauflegung und Gebet zu heilen, zugeschrieben;
wurde. Noch in unserem Jahrhundert legte Karl X. von Frankreich vielen Kranken die Hände
auf. In England erlosch der Glaube an diese Heilungen bereits vor längerer Zeit, was mit der
Reformation in Zusammenhang gebracht wird.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 26, S. 617, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-26_n0617.html)