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seitigkeit bei aller scheinbaren Einfachheit
beruht in — ihrer Stellung.
Es ist nöthig, dass wir uns hier zunächst
über ein Capitel der Harmonielehre ver-
ständigen. Die »Stellung der Accorde«,
was ist das?
Nehmen wir den einfachsten Accord,
den C-dur-Dreiklang. Er besteht aus den
drei Tönen c, e und g. Ob c, e, g oder
e, g, c oder g, c, e, das ist schließlich
dasselbe, aber dennoch klingt es anders,
und dieser andere Klang desselben Accordes,
das ist es, was die Theoretiker die andere
Stellung dieses Accordes nennen. C, e, g
bezeichnen sie als die »Grundstellung«
des C-dur-Dreiklanges, e, g, c als die
»Terz-Sext-Stellung« (e, g Terz, e, c
Sext), g, c, e als »Quart-Sext-Stellung«
(g, c Quart, g, e Sext).
Aber noch andere Veränderungen als
nur die der Stellung können mit dem ein-
fachen Dreiklang vor sich gehen. Behalten
wir c als Grundton bei, so können wir
den Accord c, e, g immer noch in c, g, e
variieren. Wir können ferner von den drei
Tönen den untersten in einer tieferen Octave
angeben, die beiden anderen nebeneinander
in der nächsthöheren Octave; oder wir
bringen c und e in dieselbe Octave und
scheiden die Quinte durch einen größeren
Zwischenraum; oder endlich, wir geben
jedem der drei Töne eine Octave für sich.
Die so entstehenden Verschiedenheiten
nennt die Harmonielehre diejenigen der
»Lage der Accorde«. Liegen c, e und g
in derselben Octave, so befindet der Drei-
klang sich in der »engen Lage«; ist der
Grundton oder die Quinte von den anderen
beiden Intervallen durch eine Octave ge-
trennt, so spricht man von einer »gemischten
Lage«, im letzten Falle endlich, ebenso
wie in dem Falle c, g, e, ist die »weite
Lage« gewählt.
Man sieht, schon der einfache Drei-
klang ist so unwandelbar nicht, als es
scheint. Bedenkt man nun, dass den drei-
mal drei wesentlichen Veränderungen allein,
die man durch Stellung und Lage an ihm
vornehmen kann, viermal vier bei jedem
Sept-Accord entsprechen, so begreift man,
welche Möglichkeiten dem Musiker des
Rococo hier bereits offenstanden.
Wie nun verhält sich zu diesen Möglich-
keiten der Künstler des »Figaro«?
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Die Verschiedenheiten der Lage zu-
nächst. Es hieße zuviel in Mozart hinein-
legen, sollte man seiner Kunst hier be-
sondere Verdienste zusprechen. Er wechselt
freilich unaufhörlich mit den verschiedenen
Lagen, es hat stets seinen Grund, wenn
er bei einem Accord einen Ton verdoppelt
oder (bei einem Vierklang) gelegentlich
ein Intervall unterdrückt. Aber alles das
ist Mozart nicht eigenthümlich. Die Har-
monielehre hatte zu seiner Zeit eine gute,
alte Tradition, in deren Zucht die Musiker
ohne Ausnahme aufwuchsen und von der
sie lernten. Die Mannigfaltigkeit, die Mozart
seinem Accord-Material durch die ver-
schiedene Lage gibt, finden wir bei jedem
besseren Italiener des vorigen Jahrhunderts
ebensogut.
Nun aber die Stellung der Accorde. Ein
einfacher Vergleich lässt uns die Distanz,
die Mozart hier von seinen Zeitgenossen
trennt, in ihrer ganzen Breite überschauen.
Das Streichorchester beherrschte damals
souverän alle Partituren. Im Streichorchester
bauen die Harmonien sich auf den Stimmen
der Celli und Bässe auf, die den Grund-
ton der einzelnen Accorde angeben. Nun
vergleiche man die Stimmen der Celli
und Bässe in einer Mozart’schen Partitur
mit einer solchen irgendeines der gleich-
zeitigen Operncomponisten. Wie gleich-
giltig diese Stimme im allgemeinen be-
handelt wurde, wie oft man den Bogen
über Quinten und Quarten springen ließ,
und andererseits, wie sorgfältig Mozart
gerade diese Stimme ausarbeitet, deren
leere Quinten und Quarten er, so oft es
angeht, durch vermittelnde Intervalle aus-
gleicht. Bei den anderen werden die
Accorde immer wieder in die Grund-
stellung und nur zur Ausnahme einmal
in die Terz- oder Quart-Stellung gebracht,
bei Mozart dagegen, sobald es einmal
Mozart ist, ein ewiger Wechsel in der
Stellung, und dabei bisweilen geradezu
eine Scheu vor der trivialen Grundstellung,
so dass dann die Regel fast zur Ausnahme
und die Ausnahme zur Regel wird.
Auch die Vielseitigkeit in der Stellung
der Accorde könnte nur noch ein verbissener
Ben Akiba als der Mozart’schen Musik
nicht eigenthümlich hinstellen. Die Mozart
vorangehenden Instrumental- und nament-
lich Kirchencomponisten hatten auf jede
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