Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 27, S. 646

Hypnotismus und Magnetismus III. (Thomassin, Carl von)

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Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 27, S. 646

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THOMASSIN: HYPNOTISMUS UND MAGNETISMUS.

der innere Sinn in Vibrationen versetzt;
dieselben können nach dem Willen des
Magnetiseurs weitergeleitet werden. Da-
durch, dass die magnetische Strömung von
zwei verschiedenen Personen zusammen-
trifft, wird der »Rapport«, die gegenseitige
psycho-physische Beziehung, erzeugt. Die
Gegenwirkungen lassen sich sowohl durch
Apparate, wie auch durch „animale In-
fluenz
“ hervorrufen.

Mesmer hat die Manipulations-Methode
nicht beibehalten, sondern sich den größten
Theil seines Lebens hindurch mit Com-
position von Baquets befasst und erst
gegen Ende desselben wieder die aus-
schließliche Anwendung des Lebensmagne-
tismus ohne Apparate in Betracht ge-
zogen.* Bekanntlich hatte er an den ver-
schiedenen Orten seiner Wirksamkeit: in
Wien, München und schließlich auch in
Paris, wo er fortwährend bemüht war,
die Anerkennung der Akademie zu er-
langen, lebhafte Controversen wegen seiner
Ansichten durchzukämpfen. Einer seiner
eifrigsten Anhänger in Frankreich war der
Marquis Armand Marc Jacques Chastenet
de Puysegur
(1751—1825). Derselbe
fand im Jahre 1784, als er einen Bauern-
jungen magnetisierte, zum erstenmale, dass
die Magnetisation auch hypnotischen Schlaf
erzeugen könne. Da derselbe dem Som-
nambulismus sehr ähnlich zu sein schien,
sprach er von »künstlichem Somnambulis-
mus«, und unter diesem Namen wurden
dann die Phänomene des Hypnotismus
von den Mesmeristen weiter erforscht.

Nunmehr beschäftigten die magne-
tischen und »somnambulen« Phänomene
in höherem Maße wie bisher die inter-
nationale Gelehrtenwelt.

In Frankreich war einer der be-
merkenswertesten Forscher Joseph Philipp
Franz Deleuze (1753—1835), der Ver-

fasser der bedeutenden Werke: »Histoire
critique du Magnétisme«, »Traité pratique
du Magnétisme«, »Mémoire sur la Faculté
de Clairvoyance«.**

Neben dem Mystiker Lavater (1741
bis 1801), der, nachdem er seine Frau durch
die Magnetcur geheilt hatte, mehrere
Schriften über Magnetismus und Som-
nambulismus herausgab, und dem Mystiker
Johann Heinrich Jungstilling (1740
bis 1817), der in seiner »Theorie der
Geisterkunde« vom Magnetismus und
Somnambulismus ausgieng, finden wir
den bekannten Mediciner John Brown
(1735—1788), der, ebenso wie der
Göttinger Professor der Medicin Johann
Friedrich Blumenbach (1752—1840),
ein Nervenfluidum im menschlichen Or-
ganismus annahm, ferner Carl Philipp
Moritz (1757—1793), den Herausgeber
des »Magazins für Erfahrungsseelenkunde«,
den Dr. med. Johann Christian Reil
(1758—1813), der alle Nervenleiden durch
psychische Beeinflussung für heilbar hielt,
Christoph Wilh. Hufeland (1762—1836),
der über Magnetismus ein affirmatives
Urtheil fällte, wenn er auch seiner Ver-
wendung in den medicinischen Praxis
entgegentrat, Christoph Heinrich Pfaff
(1772—1852), den Verfasser des Werkes
Ȇber und gegen den thierischen Magne-
tismus«, sowie Gottfried Reinhold Tre-
viranus
(1776—1837), der in seinen
Werken: »Biologie oder Philosophie der
lebenden Natur« und »Die Erscheinungen
und Gesetze des organischen Lebens«
energisch für die Magnetcur eintrat, indem
er die Ansicht äußerte, dass bei derselben
nicht Wechselwirkungen, sondern die Er-
zeugung einer Kraft stattfände. Vom Stand-
punkte des Katholicismus aus zogen die
bekannten Mystiker Carl Windischmann
(1775—1839) und Jakob Josef v. Görres

* Die Geschichte des Mineral-Magneten und der Baquets findet man sehr eingehend
behandelt bei Schröter (S. 186—219).

** Ein origineller Vertreter des Magnetismus, Suggestionismus und Hypnotismus, der unter
den Jüngern Mesmers lebhafte Controversen verursachte, war der Ex-Abbé Faria, der in Indien
Brahmane geworden war und die magnetischen und somnambulen Phänomene nach Art der
Brahmanen erklärte. Für ihn war der magnetisierte Somnambule ein »Concentrierter«, ähnlich
wie der indische Yogi, der sich in Yoga (Ekstase) übte. Er legte diese Lehre in seinem Werke
»De là cause du sommeil lucide où etude de la nature de l’homme« (Paris 1819) dar. Er
spricht in demselben auch vom »Einreden«, das die »Concentration« und damit einen apathischen
Zustand, in dem alle menschlichen Kräfte auf einen Punkt gesammelt werden, herbeiführen könne.

Sehr erfolgreiche Experimente stellte auch der Arzt Petetin an. Er kannte bereits das
hypnotische Doppelbewusstsein, die Verbal-Suggestion und die Phänomene der post-hypnotischen
Hallucination.

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 27, S. 646, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-27_n0646.html)