Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 27, S. 647

Hypnotismus und Magnetismus III. (Thomassin, Carl von)

Zum TEI/XML Dokument

Faksimile

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 27, S. 647

Text

THOMASSIN: HYPNOTISMUS UND MAGNETISMUS.

(1776—1848) die Gebiete des Magnetismus
und Somnambulismus in Betracht. Der
Naturforscher Christian Gottfried Nees
von Esenbeck (1776—1858), Verfasser
der Werke »Vorlesungen zur Entwicklungs-
geschichte des magnetischen Schlafes und
Traumes« (Bonn 1820) und der »Be-
obachtungen auf dem Gebiete des Lebens-
magnetismus als Vitalismus gesammelt«
(Bremen 1853), suchte auch das Tisch-
rücken durch magnetische Anziehung zu
erklären. Besondere Bedeutung gewannen
die Forschungen der bekannten Gelehrten
Dietrich Georg Kieser (1779—1862),
dessen »System des Tellurismus oder
thierischen Magnetismus«, sowie »Archiv
für thierischen Magnetismus« (1811 — 1828)
noch immer, ähnlich wie Du Potets »An-
nales du magnétisme animal« in Frankreich
als eine Fundgrube für Forscher geschätzt
werden. Auch der Philosoph und Natur-
forscher Gotthilf Heinrich v. Schubert
(1780—1860), Verfasser der Werke »Sym-
bolik des Traumes«, »Geschichte der Seele,
die Krankheiten und Störungen der mensch-
lichen Seele«, »Altes und Neues aus dem
Gebiete der inneren Seelenkunde«, gehörte
zu den eifrigsten Vertheidigern des Mag-
netismus und Somnambulismus. Justinus
Kerner, der Dichter und Arzt (1786
bis 1862), ist durch seine Experimente mit
verschiedenen Somnambulen, worunter die
»Seherin von Prevorst« die bedeutendste
war, und seine zahlreichen mystischen
Publicationen, wie: »Geschichte zweier
Somnambulen«, »Seherin von Prevorst«,
»Geschichten Besessener neuerer Zeit«,
»Nachrichten von dem Vorkommen des
Besessenseins«, »Eine Erscheinung aus
dem Nachtgebiete der Natur«, »Blätter
aus Prevorst«, fortgesetzt als »Magikon«,
eine der bekanntesten Gestalten der Ge-

schichte des Magnetismus, Somnambulismus
und der Mystik im allgemeinen. Große
Verdienste haben sich auch die beiden
Gelehrten Carl Adolf v. Eschenmayer
und Josef Ennemoser um die magnetische
Forschung erworben. Ersterer (1768 bis
1852), Professor der Philosophie und
Medicin in Tübingen, hat in seinen Werken:
»Einleitung in die Natur und Geschichte«,
»Versuch, die scheinbare Magie des
thierischen Magnetismus aus physiologischen
und psychischen Gesetzen zu erklären«,
»Grundriss der Naturphilosophie«, »Con-
flict zwischen Himmel und Hölle«, »Die
Mysterien des inneren Lebens« ein philo-
sophisches System auf mystischer Basis
auszugestalten versucht. Josef Ennemoser
(1787—1854), früher in Bonn Professor
der Medicin, sodann bis zu seinem Tode
Arzt in München, hat durch seine zahl-
reichen Schriften — wir nennen: »Der
Magnetismus in seiner geschichtlichen
Entwicklung«, »Geschichte der Magie«,
»Historisch-psychologische Untersuchungen
über den Ursprung und das Wesen der
menschlichen Seele«, »Anthropologische
Ansichten zur besseren Erkenntnis des
Menschen«, »Der Magnetismus im Ver-
hältnis zur Natur und Religion«, »Der
Geist des Menschen in der Natur«, »An-
leitung zur Mesmer’schen Praxis« — zur
Kenntnis der Geschichte des Magnetismus
und der Mystik im allgemeinen und zum
Verständnis vieler Probleme derselben in
dankenswerter Weise beigetragen.

Besondere Aufmerksamkeit verdient
die Thatsache, dass auch Männer wie
Alexander von Humboldt, Hegel und
Schopenhauer sich mit dem Magne-
tismus beschäftigt haben. Letzterer glaubte,
dass durch dessen Phänomene die Wahrheit
seines Systems experimentell bewiesen sei.*

* Diesbezüglich schreibt Schopenhauer in seinem Werke »Über den Willen in der Natur«
unter anderem Folgendes:

»Sehen wir nun also den Willen, welchen ich als das Ding an sich, das allein Reale in
allem Dasein, den Kern der Natur, aufgestellt habe, vom menschlichen Individuo aus, im ani-
malischen Magnetismus und darüber hinaus, Dinge verrichten, welche nach der Causalverbindung,
d. h. dem Gesetze des Naturlaufes, nicht zu erklären sind, ja dieses Gesetz gewissermaßen auf-
heben und wirkliche Actio in distans ausüben, mithin nur übernatürliche, d. i. metaphysische
Herrschaft über die Natur an den Tag legen, so wüsste ich nicht, welche thatsächlichere Be-
stätigung meiner Lehre noch zu verlangen bliebe. Wird doch sogar, infolge seiner Erfahrungen,
ein mit meiner Philosophie ohne Zweifel unbekannter Magnetiseur, Graf Szapary, dahin gebracht,
dass er dem Titel seines Buches »Ein Wort über animalischen Magnetismus, Seelen- Körper
und Lebens-Essenz« (1840) als Erläuterung die denkwürdigen Worte hinzufügt: »oder physische
Beweise, dass der animalisch-magnetische Strom das Element und der Wille das Princip alles
geistigen und körperlichen Lebens sei«. Der animalische Magnetismus tritt demnach geradezu

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 3, Bd. 2, Nr. 27, S. 647, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-03-02-27_n0647.html)