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Die drei größten Künstler der italie-
nischen Renaissance stellen vermöge einer
merkwürdigen Fügung jeder den einen
dieser drei Künstler-Typen aufs reinste
und vollkommenste dar; und es ist seltsam
und fast ergreifend, alle drei beisammen
zu sehen, wie sie einander im Jahre 1513
in Rom begegneten — eigentlich zum
letztenmale, denn das kurze Beisammensein
zu Bologna im Jahre 1515 kommt nicht
mehr in Betracht: Raphael, der idyllische
Künstler, der Romantiker und Titane
Michelangelo und Lionardo da Vinci,
der — »fremde Künstler«.
Als Lionardo zum zweitenmale
aus seiner geliebten Wahlheimat Mai-
land durch Missgeschick vertrieben, nun
schon ein Zweiundsechzigjähriger, und
wohl mehr der Ruhe und des Friedens
bedürftig, als begierig nach Erneuerung
der alten Wettkämpfe, im Jahre 1514
nach Rom kam, war er der Anlass
eines seltsamen und ungewohnten Schau-
spiels. Die ganze Künstlerschaft Roms
nämlich, sonst in ewig streitende und
heftig verfeindete Parteien zerfallen,
schloss sich plötzlich, fast instinctiv,
gegen den fremden Greis, dessen Ruhm
doch keinem, der zur Kunst gehörte, fremd
klingen konnte, in seltener Einmüthigkeit
zusammen, und war in seligster Eintracht
bemüht, ihm einen schweigenden, er-
bitterten Widerstand zu bereiten, ihm
von allen Seiten jeden Weg zu verlegen,
jeden Schritt, den er thun mochte, listig
und ränkevoll zu hemmen. Und als es
nun dem Ankömmling doch gelungen
war, den Papst für sich günstig zu
stimmen (er hatte der zuweilen recht
kindischen Verspieltheit des hohen Herrn
durch mechanische Schnurrpfeifereien, die
er ihm anfertigte, zu schmeicheln ver-
standen), und als Leo X. nun dem alten
Hexenmeister, der so lustige Künste wusste,
einen Auftrag gab, einen ganz kleinen Auf-
trag, nur zu einer Tafel — wahrscheinlich
einer heiligen Familie —: da war Lionardo
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natürlich selbst daran schuld, dass sich
die angesammelte Feindseligkeit, das
versteckte Übelwollen der Kunstgenossen
in einen lärmenden Ausbruch entlud.
Denn er fieng das Bild nicht, wie jeder
ordentliche Maler, mit dem Anfang an,
sondern gerade mit dem Ende; er gieng
an die Zubereitung eines neuen Firnisses,
den er erfunden hatte, ehe noch ein Strich
auf der Tafel gethan war. Nun lachten
ihn aber alle aus, und Lionardo da Vinci
erlebte es in seinem zweiundsechzigsten
Jahre zum erstenmale — öffentlich ver-
höhnt zu werden.
Hier will ich nicht davon reden, dass
mir Lionardos Handlungsweise, die so viel
Spott entfesselte, begreiflich genug scheint;
ich denke mir nämlich, dass ihn an diesem
auf Bestellung zu liefernden Bilde, das
nicht, wie sonst, durch jahrelanges Suchen
und Versuchen verzögert werden durfte,
— Papst Leo X. war an prompte Kunst-
arbeit gewöhnt — vielleicht gerade nur
dieses eine, kleine, scheinbar unwichtige
Problem fesselte, wie durch einen neuen,
besonders kräftigen Firnis die Leuchtkraft
der Farben gesteigert und auf die Dauer
erhalten werden könne. Lionardo war
wohl imstande, um der Lösung eines
solchen Problems willen, irgend einer
ungewöhnlichen, wenngleich für die Menge
der Beschauer kaum merklichen Nuance
oder Steigerung zuliebe ein ganzes Bild
malen zu wollen, und mehr als nur das.
Schließlich war er seiner Technik sicher
und brauchte sich um Gedanken und Aus-
führung im übrigen keine großen Sorgen
zu machen. Was jenen anderen ihren
edlen Stolz schuf, und mit Recht: die
volle Summe künstlerischen Könnens, das
besaß er ja längst, das war schon sein
Eigen gewesen, ehe Michelangelo und
gar Raphael einen Pinsel führen konnten;
was er mehr als sie besaß, dessen Mangel
fühlten sie nicht; und so überhoben sie
sich in Verachtung desjenigen, den sie
nicht verstehen konnten.
Aber wichtiger und geheimnisvoll, wie
nur irgend eines der Lebensräthsel des
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