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Am 17. Februar d. J. sind dreihundert
Jahre verflossen, seitdem Giordano
Bruno sein rastloses Leben und Streben
als »Fürst der Ketzer«, wie ihn die heilige
Inquisition bezeichnete, auf dem Campo
di fiori zu Rom in den Flammen des
Scheiterhaufens beendigt hat. Damals diente
dieses Autodafé zur besonderen Verherr-
lichung des Jubiläums, das ebenso wie zur
Zeit noch zahlreiche Pilger in Rom ver-
sammelte. Heute erhebt sich an derselben
Stätte sein von einem der ersten Künstler
Italiens, Ettore Ferrari, gegossenes, im
Jahre 1889 errichtetes Standbild mit der
Inschrift auf dem Sockel:
A Giordano Bruno
Il Secolo
Da Lui Divinato
Qui Dove
Il Rogo Arse.*
Die Curie hat die Errichtung dieses
Denkmals im Jahre 1889 als eine große
Beleidigung empfunden. Man wird sich
noch der Sühnmessen erinnern, die damals
für die gesammte katholische Kirche
angeordnet wurden und den Namen dieses
Philosophen bis in die entlegenste Dorf-
kirche trugen. Umgekehrt ist der Anhänger
der Weltanschauung, welche Giordano
Bruno vertrat, durch diese Denkmals-
errichtung an das stille Walten der sitt-
lichen
Weltordnung erinnert worden,
welche jene Stätte eines unvergesslichen
Verbrechens auch äußerlich zu ent-
sühnen gedachte. Wichtiger als diese
äußerliche Sühne muss dem wirklichen
Kenner des Lebens und der Lehre jenes
Märtyrers der Geistesfreiheit aber die mit
der dritten Wiederkehr seines Gedächtnis-
tages von neuem an ihn herantretende
Aufgabe erscheinen, dem geistigen Inhalte
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seiner Lehre diejenige Anerkennung und
Würdigung zu erkämpfen, die sie ver-
dient und die ihr bislang vielfach selbst
auf der Seite noch mangelt, wo man das
äußerliche geschichtliche Moment seines
Martyriums als günstige Veranlassung zur
Bekämpfung der immer noch bedeutenden
Geistesmacht, der er zum Opfer fiel, zwar
gerne benützt, aber über dem rein nega-
tiven Berührungspunkte die positiven
Werte vernachlässigt, für welche dieser
Geistesheld sein Leben einsetzte.
Vielleicht ist der folgende Versuch
einer Skizze der Weltanschauung des Gior-
dano Bruno geeignet, die immer noch von
Feinden und vermeintlichen Freunden seines
Namens mit Schlagworten umnebelten
Vorstellungen von seiner Lehre in wesent-
lichen Punkten richtigzustellen. Eine
befriedigende Skizze der Grundgedanken
zu geben, auf denen die universelle Welt-
anschauung des Nolaners beruht, ist
schwierig — wegen embarras de richesse.
Handelte es sich um ein eigentliches
System im modernen Sinne, so ließe sich
vielleicht ein Grundriss nach Art eines
architektonischen Entwurfes zeichnen. Aber
die speculative Construction, in der sich
nach ihm als bedeutendster Vorgänger
unserer deutschen Systemdichter more
geometrico Spinoza versucht hat, verbot ihm
seine Methode oder auch, wenn man will,
vielmehr sein vorurtheilsloser Mangel einer
solchen, den er selber im Exenbitor
folgendermaßen kennzeichnet: »Wen das
Schicksal mit guten Gaben ausgerüstet hat,
wer einen regsamen Geist besitzt, der
wird die schwierige Arbeit nicht scheuen,
das Licht überall aufzufangen, wo es sich
ergießt, der wird den gemeinen Menschen-
verstand einerseits und den hochmüthigen
Glauben andererseits als Processparteien vor
den Richterstuhl seiner Vernunft laden,
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