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in Gegensatz gebracht, worauf nur ein
Astrolog kommen kann.
Die folgende Stelle in »Troilus und
Cressida«, I. Act, 3. Scene, verräth den
Kenner der Horoskopie:
Der Himmel selbst, Planeten und dies Centrum
Reih’n sich nach Abstand, Rang und Würdig-
keit,
Beziehung, Jahreszeit, Form, Verhältnis, Raum.
Amt und Gewohnheit in der Ordnung Folge:
Und deshalb thront der majestät’sche Sol
Als Hauptplanet in höchster Herrlichkeit
Vor allen andern; sein heilkräftig Auge
Verbessert den Aspect bösart’ger Sterne.
Und trifft, wie Königs Machtwort, allbe-
herrschend
Auf Gut’ und Böses. Doch wenn die Planeten
In schlimmer Mischung irren ohne Regel,
Welch Schrecknis! Welche Plag’ und Meuterei!
Welch Stürmen auf der See! Wie bebt die
Erde!
Wie rast der Wind! Furcht, Umsturz, Graun
und Zwiespalt
Reißt nieder, wühlt, zerschmettert und ent-
wurzelt
Die Eintracht und vermählte Ruh’ der Staaten
Ganz aus den Fugen!
Diese Übersetzung von Schlegel und
Tieck könnte vom astrologischen Stand-
punkte in einigen Kunstausdrücken besser
sein, aber das fällt hier nicht ins
Gewicht.
Eine Anspielung auf den Stand der
Sonne im siebenten Hause eines Horoskops,
ja mehr noch auf die Direction der Sonne
in dies Himmelsfeld der öffentlichen
Feindschaften* findet man in der Klage
des Salisbury in Richard II., III. Act,
1. Scene:
Ach Richard, mit den Augen bangen Muths
Seh’ ich, wie einen Sternschuss, deinen Ruhm
Vom Firmament zur niederen Erde fallen.
Es senkt sich weinend deine Sonn’ im
West,
Die nichts als Sturm, Weh, Unruh’ hinter-
lässt,
Zu deinen Feinden sind die Freund’
entfloh’n,
Und widrig Glück spricht jeder Mühe Hohn.
Dies ist nicht etwa nur poetische
Licenz und Phantastik, sondern diese
Poesie ist gereimte Astrologie und schil-
dert die Wirkung besagter Direction,
wenn auch unter Hervorhebung ihrer
mehr üblen Seiten. Nur jemand, der sich
eingehend mit Astrologie befasst hat,
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konnte dieses schöne Bild schreiben, ein
anderer hat nie etwas davon gehört, dass
die Sonne im Untergange Feindschaft
und so Unfreundliches bewirkt. Es ist
allerdings nicht immer so arg, wie oben
beschrieben, aber wenn wir uns das
Horoskop eines Richard II. hinzudenken,
hat der Dichter als Astrolog die poetische
Licenz keineswegs besonders in Anspruch
genommen.
Solche genaue Kenntnis der Astro-
logie könnte geeignet erscheinen, die
Meinung zu bestärken, Bacon sei der
Dichter, wenn man anders nicht glauben
will, Shakespeare habe auch noch die
großen lateinischen Werke der Astrologen
eingehend studiert, was allerdings möglich
wäre.
Es ist aber sehr beachtenswert, dass
Dichter wie Shakespeare, Goethe, Dickens,
Byron, Shelley mit den Wissenschaften
des Fatums mehr oder minder vertraut
waren, denn auch Goethe kannte sein
Horoskop; bei Dante ferner finden wir
den Beweis der Bekanntschaft mit der
Astrologie, Byron hat das Fatum durch
die Gestirne besungen und Shelley trieb
selbst Astrologie. Was schrieb Hebbel?
Schon bestimmt, noch eh’ wir’s bitten.
Ist für Thronen und für Hütten
Lust und Leid im Lose.
Erinnern wir uns, dass auch Schiller
die Horoskopie seines größten tragischen
Helden, Wallenstein, nicht missen mochte,
so werden wir einsehen, dass unseren
neueren Poeten die unzweifelhafte Ein-
sicht in das Vorhandensein eines Fatums
nur zum Schaden ihrer Production ab-
handen gekommen ist. Jedenfalls verleiht
diese Einsicht allem poetischen Schaffen
hochernster Richtung eine bedeutende
Vertiefung und eine Größe der An-
schauung vom Menschenschicksal, deren
Fehlen geradezu viele Mängel der heutigen
dramatischen Production verschuldet und
die zeitgenössische Dramatik kennzeichnet.
Denn das Vermögen zum künstlerischen
Schaffen und zur Poesie wird sich umso
schwungvoller entfalten, wenn tiefe Ideen
und erhabene Auffassungen es anspornen,
und das Princip aller Tragik ist geradezu
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