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das Erzeugende, der Wille ist das Ge-
bärende. Ein Gedanke ohne den Willen
zur Ausführung könnte niemals verwirklicht
und niemals zur That werden. Gedanken
ohne diesen Willen sind und bleiben
gehaltlose Spiegelbilder der Phantasie.
Soll ein Gedanke verwirklicht werden, so
muss aus dem Willen die That geboren
werden. Ein Wille ohne Gedanke kann
nichts gebären. Soll aus dem Wollen
etwas entspringen, so muss der Gedanke
den Willen befruchten. Die Welt ist
voller Ideen, und es fehlt auch nicht an
dem Wollen, aber nur durch die Ver-
einigung von Gedanke und Wille wird
der Gedanke zur That.
Im Menschen sind Wille und Gedanke
bis zu einem gewissen Grade miteinander
vereinigt. Wären die beiden in ihm voll-
kommen eins und von Erkenntnis durch-
drungen, so wäre der Mensch vollkommen.
Kr würde dann sich keinen leeren Hirn-
gespinsten hingeben, sondern er würde
dasjenige, was er denkt, auch ernstlich
wollen, und sein von der geistigen Kraft
der Erkenntnis durchdrungener Wille würde
zur That werden; aber in unserem jetzigen
Zustande der Entwicklung ist das Männ-
liche und Weibliche in uns noch nicht
hinreichend vereinigt; es fehlt noch der
Segen der zu dieser Vereinigung nöthigen
Erkenntnis der Wahrheit und Einheit,
und deshalb leben wir noch zum großen
Theile im Reiche der Phantasie, denken,
was wir nicht wollen, und werden ohne
unser Denken oder auch gegen dasselbe
vom Wollen, d. h. von der erkenntnis-
losen Begierde verführt. Wir werden erst
dann die »Herren der Erde«, d. h. Herr-
scher über uns selbst sein, wenn Mann
und Weib in uns zu einer harmonischen
Einheit verbunden sind. Solange aber die
wahre Erkenntnis nicht vorhanden ist,
wird diese Ehe auch nicht zustande
kommen. Solange sie fehlt, wird der Ge-
danke den Willen auf Irrwege leiten und
der Wille den Gedanken verführen. Um
zur Vollkommenheit zu gelangen, muss
der Gedanke von der Erkenntnis der
Wahrheit durchdrungen sein und sich
den Willen dienstbar machen. Dies
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und nichts anderes ist der Sinn der
Lehre, dass das »Weib« dem »Manne« ge-
horchen, und dass das »Weib«, d. h. der
Eigenwille, in der »Kirche«, d. h. im
Reiche der Gottes-Erkenntnis, schweigen
soll. Die Vorschrift: „Mulier taceat in
ecclesia“ hat nichts mit menschlichen
Wesen, die zufälligerweise weiblichen Ge-
schlechts sind, zu thun.
Die occulte Wissenschaft lehrt, dass
der ursprüngliche Mensch geschlechtslos
war, d. h. mit anderen Worten, dass in
ihm beide Geschlechter, Wille und Ge-
danke, eins waren; darauf weist auch
die Bibel hin. »Gott schuf den Menschen
in seinem eigenen Urbilde; männlich
und weiblich schuf er sie.«* Der Mensch
war damals ein ätherisches Wesen, so
wie er es auch in Zukunft wieder werden
soll,** und brauchte sich nicht so wie
wir mit einem grob-materiellen Körper
zu schleppen und denselben auf eine
thierische Weise fortzupflanzen. Erst
später, als er mehr und mehr ins Materielle
versank und zu speculieren und argu-
mentieren anfieng, trennten sich Wille
und Vorstellung in ihm und schließlich
auch die Geschlechter, weil bei seiner
materiellen Beschaffenheit eine directe
Fortpflanzung durch Geisteskraft nicht
mehr möglich war. In seinem Innersten
blieb natürlich sein Wesen männlich und
weiblich in Einem; denn jedes mensch-
liche Wesen hat männliche und weibliche
Eigenschaften. Hätte der Mann gänzlich
alles Weibliche verloren, so hätte er gar
keinen Willen mehr und wäre ein leeres
Phantasiegebilde geworden.
Mann und Weib in unserer sichtbaren
Erscheinungswelt sind daher die äußer-
lichen Repräsentanten dieser beiden Prin-
cipien. Im allgemeinen ist im Weibe der
Wille, oder mit anderen Worten, die
Liebe mehr vorherrschend, im Manne die
intellectuelle Speculation; aber es gibt
auch Menschen männlichen Geschlechts,
sogenannte »weibische«, bei denen das
weibliche Princip, die Empfindung, höher
steht als der Verstand, und andererseits
Menschen mit Körpern weiblichen Ge-
schlechts, sogenannte Mannweiber, bei
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