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Hellenisten und Indologen, der hervor-
ragendsten Begründer der modernen
Wissenschaft und Technik! Eine Classi-
cität, die Beethoven mit »einem Vortrupp
von Berserkern, Einbildungsmenschen und
Wahnsinnigen« daherziehen lässt und die
für den nie erreichten Genius eines Rem-
brandt nur Spott kennt, während sie uns
allen Ernstes für Belehrung über Kunst
an Ludwig XIV. weißt, den crass igno-
ranten Jesuitenzögling, der seine eigene
Sprache nicht orthographisch schreiben
konnte, und an den corsischen Artillerie-
lieutenant, für den die Kunst wie die
Religion nur eine Waffe in der Hand des
Politikers bedeutete! — Doch dieser selben
Unfähigkeit, gesund zu urtheilen, begegnen
wir bei Heidenstam nicht bloß, sobald ei-
sern Steckenpferd der »Classicität« be-
steigt — eine Rosinante, die mit ihm
jedesmal in Sumpf oder Dickicht hinein-
trabt — sondern überall. Ein Haupt-
argument bildet z. B. in seiner Broschüre
die Behauptung, alles Germanische sei
seinem Wesen nach »demokratisch«, das
Classische dagegen sei »aristokratisch«.
Das heißt doch sämmtlichen Thatsachen
der Geschichte ins Gesicht schlagen.
»Das germanische Staatswesen kann man
ein demokratisches nennen« (S. 9). Nein,
es war nie und nirgends ein demokra-
tisches, und besitzt so wenig Anlage dazu,
dass selbst in den Vereinigten Staaten
von Nord-Amerika — wie Heidenstam
bei Leckey erfahren wird — die an-
geborene unentwurzelbare aristokratische
Tendenz immer wieder durchbricht, und
der Präsident, wenn auch wählbar, doch
mehr Gewalt besitzt als die meisten Könige.
»König« und »Adel« sind urgermanische
Wörter, und zwar führen beide auf den
Begriff des Stammes, des Geschlechtes
zurück. Demos ist ein griechisches Wort
und eine griechische Erscheinung. Schon
der Römer kannte es nicht — nicht so-
lange Rom »Rom« war; der Plebejer ist
ebenso durchdrungen von dem adeligen
Princip wie der Patricier. Und während
Heidenstam behauptet, »die Demokratie
ist eine Deutsche«, hatte Richard Wagner,
der bedeutend schärfer sah, vor langem
schon richtig geurtheilt: »Die Demo-
kratie ist in Deutschland ein durchaus
übersetztes Wesen; sie existiert nur in
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der Presse«. Und ebenso falsch sind
alle Schlussfolgerungen, die Heidenstam
weiter zieht, indem er »volksthümlich«
als synonym mit »demokratisch« auffasst
(was offenbar nicht zutrifft) und nun fol-
genden Syllogismus aufthürmt: »Da wir
Germanen von Natur Demokraten sind,
muss unsere Kunst eine volksthümliche
sein, nun aber ist eine volksthümliche
Kunst eine schlechte Kunst, und folglich
taugt unsere germanische Kunst nichts.«
Ein wahres Rattennest von falschen Be-
hauptungen! Alle schöpferische Kunst ist
»Kunst des Genies«, also der großen ein-
zelnen Person; das hat der Germane Kant
ein- für allemal dargethan. Bei uns aber
— im Gegensatz zu Hellas — ist die Kunst
so durch und durch aristokratisch, dass
wir uns immer wieder krampfhaft zu-
sammennehmen müssen, um ihr volks-
thümliche Seiten abzugewinnen, damit der
Zusammenhang mit den weiten Schichten
des Volkes nicht ganz verloren gehe. Mit
Heidenstam selber könnte man aber über
diese Frage schwer discutieren, denn schon
jede einzelne seiner Definitionen ist un-
haltbar. So soll z. B. nach ihm das
Classische zugleich »aristokratisch« und
»unpersönlich« sein. Das ist eine flagrante
contradictio in definitione. Außerdem ist
die Behauptung, die Großthaten des helle-
nischen Geistes seien »unpersönlich«, ein-
fach horrend. Es verhält sich damit genau
so wie mit dem berühmten »Maßhalten«
unserer Ammenstuben-Ästhetik, auf die
Heidenstam ebenfalls pocht. Die Phantasie
der hellenischen Künstler war eine über-
schwengliche, die vor keinem Übermaß
zurückschreckte: Platos »Staat«, der uns
hier als ein Muster des »Gleichgewichtes«
vorgehalten wird, ist das Ungeheuerlichste,
was an staatlicher Utopie je geträumt
wurde; Homer verschmäht nicht allein in
herrlicher Selbstbestimmung, bei Anfang
und Ende einer Geschichte sich symmetrisch
aufzuhalten, sondern er kann sich gar nie
genug thun mit Farbenauftragen; zieht
ein Held in die Schlacht, brüllt er so laut,
dass die Erde erdröhnt, und tritt ein neuer
auf, so brüllt er noch lauter; die Tra-
gödien des Sophokles sind in Bezug auf
die Situation, auf die Ausbrüche wildester
Leidenschaft und auf ihre scenische Dar-
stellung so »maßloß«, wie es nie ein
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